Was sind zeitvariable Netzentgelte überhaupt

Für die beteiligten Marktakteure ist die Umsetzung der dynamischen Netzentgelte herausfordernd. Es ist anzunehmen, dass nur wenige zum Stichtag am 1. April 2025 „ready“ sind. Ab dem 1. April 2025 müssen die Verteilnetzbetreibern den Verbrauchern ein zeitvariables Netzentgelt anbieten. Damit soll die Bereitschaft angereizt beziehungsweise vergütet werden, den Stromverbrauch aus Hochlastzeiten in nachfrageschwächere Zeiträume zu verlagern. Die Grundlage dafür bilden der §14a Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) zur Integration steuerbarer Verbrauchseinrichtungen ins Stromsystem und dessen Ausgestaltung durch die entsprechende Festlegung der Bundesnetzagentur. Darin ist verankert, dass diejenigen Verbraucher eine Entlastung bei den Netzentgelten erhalten, die sich zu einer netzorientierten Steuerung ihrer Anlagen, etwa Wärmepumpen oder Wallboxen zum Laden von Elektrofahrzeugen, durch den Netzbetreiber bereiterklären. Zwar wird das reduzierte Netzentgelt am Ende in der Stromrechnung des Lieferanten ausgewiesen, die beteiligten Netzbetreiber müssen jedoch genauso umfangreiche Vorkehrungen treffen, um die Umsetzung der rechtlichen Vorgaben zu gewährleisten. Die Bundesnetzagentur weist auf ihrer Internetseite darauf hin, dass nur diejenigen Verbraucher in den Genuss reduzierter Netzentgelte kommen können, die an der netzorientierten Steuerung teilnehmen. Voraussetzung für die netzorientierte Steuerung ist jedoch die technische Ausstattung des Kunden. Diese bestehe vor allem aus einem intelligenten Messsystem und einer damit verbundenen Steuerungseinrichtung. Intelligente Messsysteme sind eine Voraussetzung Da sich der Einbau von Steuerungseinrichtungen derzeit noch verzögern könne, sei es möglich, bei drohenden Überlastungen des Netzes übergangsweise noch ältere Steuerungstechnik einzusetzen, schreibt die Bundesnetzagentur auf ihrer Internetseite. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) der einen großen Teil der Verteilnetzbetreiber und damit auch der grundzuständigen Messstellenbetreiber, die für den Smart Meter Rollout verantwortlich ist, gibt zu bedenken, dass der Rollout intelligenter Messsysteme bislang aus mehreren Gründen „verhalten“ gelaufen ist.„Hauptgrund war die fehlende Wirtschaftlichkeit, die erst nach Anpassung des Regulierungsrahmens gegeben war“, so ein Sprecher auf Anfrage von E&M. Laufend neue regulatorische Anforderungen, offene technische Umsetzungsfragen und der hohe Bedarf an Fachkräften seien weitere Hemmnisse gewesen. Auch die Verfügbarkeit von Geräten und technische Schwierigkeiten beim Einbau seien in der Vergangenheit limitierende Faktoren gewesen. Zahlen, wie viele Verteilnetzbetreiber nun ab dem 1. April in der Lage sind, die zeitvariablen Netzentgelte umzusetzen, liegen dem Verband dem Sprecher zufolge nicht vor. Auch eine Einschätzung gab der VKU nicht ab. Nur so viel: „Die hohe Frequenz neuer Vorgaben und eng getaktete Umsetzungszeiträume stellen eine Herausforderung für die Branche dar, insbesondere für Mitarbeiter, die sich um IT und Abrechnungssysteme kümmern.“ Allerdings zeige die Erfahrung, dass die Stadtwerke die Herausforderungen trotz des hohen Fachkräftebedarfs erfolgreich meistern werden. „Auf die Stadtwerke ist Verlass“, heißt es von offizieller Seite. Beim Bundesverband der Energiemarktdienstleister (BEMD) ist man etwas verbindlicher. Eine allerdings sehr kurzfristige und kurze Rücksprache mit einigen Mitgliedern, lässt den Verband annehmen, dass noch nicht ganz 25 Prozent der Verteilnetzbetreiber die variablen Netzentgelte umgesetzt haben. Eine konkrete Zahl lasse sich jedoch nicht nennen, so ein Sprecher. Eine lange Liste von Gründen lasse sich für die noch geringe Umsetzungsquote nennen, etwa die Menge der Daten, die in Echtzeit verarbeitet werden müssen, oder die dynamische Tarifbildung und die Umstrukturierung der Kundenportale. Außerdem gebe es Herausforderungen beim Datenschutz, bei der Integration der neuen Marktrollen und bei den Schnittstellen zu den mittlerweile auch automatisierten Prozessen, inklusive der Kompatibilität mit den Vorgaben der Marktkommunikation. Der BEMD vertritt unter anderem Abrechnungs-, Zähl-, Mess- und IT-Dienstleister in der Energiewirtschaft.

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Eine neue Studie warnt: Ohne Reform der Netzfinanzierung steigen Stromkosten und soziale Ungleichheit – das gefährdet die Energiewende. Die Energiewende in Deutschland und Europa braucht dringend eine Reform der Stromnetzfinanzierung. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Untersuchung des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS), die im Auftrag von Climate Action Network (CAN) Europe erstellt wurde. Ohne strukturelle Änderungen drohen laut der Studie steigende Netzentgelte, die vor allem einkommensschwache Haushalte überproportional belasten. Der Ausbau und die Modernisierung der Stromnetze sind zentrale Voraussetzungen für die Dekarbonisierung der europäischen Energiewirtschaft. Bereits heute machen Netzentgelte einen erheblichen Anteil an den Stromkosten aus. Besonders stark trifft dies einkommensschwache Regionen in Osteuropa: In Bulgarien etwa ist die Belastung durch Netzentgelte im Verhältnis zum Einkommen fast fünfmal so hoch wie in Dänemark. Deutschland liegt im europäischen Vergleich im unteren Mittelfeld. „Pauschale Senkungen der Netzentgelte durch staatliche Zuschüsse lösen das Problem nicht. Sie verschieben nur erhebliche Kosten in den Steuertopf, ohne die Ursachen anzugehen“, sagt Marie Wettingfeld, wissenschaftliche Referentin beim FÖS und Hauptautorin der Studie. Stattdessen brauche es eine grundlegende Reform der Netzfinanzierung und der Entgeltregeln. Eine Option sei ein öffentlicher Infrastrukturfonds, dessen Anteile über den Finanzmarkt vermarktet werden können. Auf diese Weise ließen sich private Kapitalquellen erschließen und öffentliche Mittel effizienter einsetzen. Der Fonds müsse dabei klar von Bereichen getrennt werden, in denen gezielt private Investitionen gewünscht sind, um eine schnellere Umsetzung zu erreichen – etwa bei innovativen Technologien zur netzdienlichen Nutzung von Flexibilitäten. Zudem empfiehlt das FÖS eine stärkere staatliche Beteiligung an Netzbetreibern. Diese könne die Kreditwürdigkeit erhöhen, die Finanzierungskosten senken und so langfristig für stabile Netzentgelte sorgen. „Klare und dauerhafte Beteiligungsstrukturen können langfristig für stabile und bezahlbare Netzentgelte sorgen“, so Carolin Schenuit, geschäftsführende Vorständin des FÖS. Voraussetzung sei jedoch eine Kombination mit verbindlichen regulatorischen Vorgaben und einer Reform der bestehenden Anreizregulierung. Ein weiterer Schwerpunkt der Studie liegt auf der Tarifgestaltung. Die Forscherinnen und Forscher sprechen sich für eine stärker differenzierte Tarifstruktur aus, die zeitabhängige Modelle einschließt. Diese können dazu beitragen, Lastspitzen zu reduzieren und die Integration von erneuerbaren Energien ins Netz zu erleichtern. Allerdings sei der Einsatz intelligenter Messsysteme für das Angebot von differenzierten und fairen Tarifen unerlässlich. Die Autorinnen und Autoren der Studie betonen, dass es keine universelle Lösung für ganz Europa gebe. Stattdessen müsse eine Kombination verschiedener Finanzierungs- und Tarifmodelle gefunden werden, die auf die jeweiligen nationalen Gegebenheiten zugeschnitten ist.

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