Nicht nur die Energiewende findet im Verteilnetz statt, auch die Verkehrswende. Wie die zukunftsfähige Integration der E-Mobilität aussehen kann, hat Mitnetz Strom genauer untersucht. Nur wenn E-Autos netzverträglich geladen werden können, ohne dass die Nutzer einen Komfortverlust erleiden, wird die Elektromobilität massentauglich. Auch wenn Netzengpässe bislang in der Niederspannungsebene kaum vorkommen, wird die Integration der E-Mobilität den Verteilnetzen einiges abverlangen. Insbesondere in Verbindung mit einer zunehmenden Elektrifizierung der Wärmeversorgung werden die Anforderungen schnell wachsen − schneller, als man ihnen mit dem Netzausbau begegnen könne, heißt es in einem „Innovationsimpuls“ des Verteilnetzbetreibers Mitnetz, der Volkswagen-Tochter Elli und der Beratungsgesellschaft E-Bridge zur zukunftsfähigen Einbindung der E-Mobilität ins Stromnetz. Pilotanwendung mit 20 Fahrern verschiedener Volkswagen-Modelle Die drei Unternehmen haben ein „kooperatives Konzept für die Netzintegration von Elektromobilität“ vorgestellt und in einer Pilotanwendung mit 20 Fahrern der Volkswagen-Modelle ID.3, ID.4 und ID.5 getestet. Die Teilnehmenden gaben dabei ihre Präferenzen, beispielsweise zu Standzeiten und Mindestladestand, in die Elli Charging App ein, sodass das System unter Berücksichtigung der lokalen Netzgegebenheiten die Optimierung des Ladeplans vornehmen konnte. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen im Herbst vorliegen. Ein wesentliches Merkmal des planwertbasierten Konzepts sind zeitvariable Netztarife auf der Grundlage von Engpassprognosen, die Anreize für die Optimierung der Ladefahrpläne setzen. Abregelungen und Notfallmaßnahmen sollen dann nach Überzeugung der Verfasser allenfalls in Ausnahmesituationen noch notwendig sein. Für den Fall, dass die ökonomischen Anreize die Gleichzeitigkeit der Ladevorgänge erhöhen − eine Gefahr, die den Autoren durchaus bewusst ist − und eher netzbelastend als -entlastend wirken, kommt im Konzept von Mitnetz, Elli und E-Bridge der Netz-Check-In zum Tragen. Dieser vollautomatisierte Prozess beginnt bereits in dem Moment, in dem der E-Autofahrer sein Fahrzeug an den Ladepunkt anschließt. Durch die Eingabe der Präferenzen in die App des Smart-Charging-Anbieters kann dieser unter Berücksichtigung spezifischer Netztarife einen optimierten Ladefahrplan erstellen, den er an den Netzbetreiber übermittelt. Ein Abgleich mit der verfügbaren Strangkapazität und der Anschlussleistung der Ortsnetzstation zeigt dem Netzbetreiber, ob der Ladewunsch tatsächlich so ausgeführt werden kann. Wäre eine Überschreitung der Kapazitäten absehbar, würde er dem Smart-Charging-Anbieter eine reduzierte maximal mögliche Ladeleistung im gewünschten Zeitraum zuweisen. Auf dieser Grundlage würde vom Smart-Charging-Anbieter ein revidierter Ladeplan generiert und dem Netzbetreiber zur erneuten Validierung vorgelegt. In der Praxis soll ein Puffer dafür sorgen, dass auch bei Ungenauigkeiten in der Prognose und Abweichungen vom Ladeplan der sichere Betrieb des Ortsnetzes gewährleistet ist. Entsprechende IT-Lösungen machen den gesamten Prozess zu einer Angelegenheit von wenigen Sekunden. Eine direkte Steuerung des Ladevorgangs durch den Netzbetreiber erfolgt dabei nicht. Er kommuniziert lediglich mit dem Smart-Charging-Anbieter, der identisch mit dem Lieferanten des Fahrzeugs sein kann, aber nicht zwangsläufig sein muss. Der Netz-Check-In ist als präventives Instrument gedacht. Wenn dennoch kurative Eingriffe notwendig sein sollten, könnten diese „minimalinvasiv“ gehalten werden, schreiben die Autoren. Bei einem Eingriff gemäß § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) im Sinne der netzdienlichen Steuerung steuerbarer Verbrauchseinrichtungen würde die Bezugsleistung eines ladenden Fahrzeugs in einem Schaltvorgang meist auf 0 kW heruntergeregelt. Anstatt einer vollständigen Abregelung im Notfall könne auch eine verbindliche und befristete Plim-Anweisung (eigentlich mit tiefer gestelltem „lim“ als Angabe für die Limitierung der Aufnahmeleistung) als kurative Maßnahme erfolgen. Dieser Schwellenwert gelte dann für eine bestimmte Zeitdauer. Ein entsprechendes Signal könne an die Ladeinfrastruktur geschickt werden, sodass ein direkter Zugriff des Netzbetreibers auf das Fahrzeug nicht notwendig sei. Kommunikation über den CLS-Kanal des Smart Meter Gateways Außer im Pilotprojekt mit Elli nahm der Netz-Check-In auch bereits in einem Test von Mitnetz und Audi eine zentrale Rolle ein. Mit dabei in diesem Projekt waren der Zähler- und Smart-Meter-Gateway-Hersteller EMH Metering, der E-Mobility-Dienstleister „eSystems“ und die Robotron Datenbank-Software GmbH. Als Koordinator fungierte der IT-Dienstleister Gisa, über dessen Smart-Energy-Plattform die Ladevorgänge gesteuert wurden. Grundlage dieser Plattform ist das Robotron-System „IoTHub4Utilities“. Die Ladevorgänge wurden in Abhängigkeit von der Einspeisung regenerativer Energie und damit der Verfügbarkeit relativ günstigen Stroms optimiert. Die entsprechende Prognose konnten sich die Projektbeteiligten über eine öffentliche Schnittstelle bei Mitnetz Strom abholen. Die Werte für die erwartete Stromproduktion seien in eine „Anreiztabelle“ konvertiert worden, heißt es in einer Mitteilung von Gisa, und über den CLS-Kanal − CLS steht für Controllable Local Systems − des Smart Meter Gateways zur Ladeinfrastruktur übertragen worden. Dort wurde die Information über die Kommunikationsschnittstelle ISO15118 dem Fahrzeug, einem Audi e-tron, zur Verfügung gestellt. Das Fahrzeug habe dann anhand der Anreiztabelle und des eigenen Energiebedarfs den Ladeplan errechnet und an die Ladeinfrastruktur übermittelt, schreiben die Projektpartner. Von dort aus ging die entsprechende Mitteilung wieder über den CLS-Kanal des Smart Meter Gateways an den Netzbetreiber zum Abgleich mit den Netzkapazitäten. Projektpartner Robotron betonte in diesem Zusammenhang, es sei ausschließlich aktuell im Handel verfügbare Hardware zum Einsatz gekommen und auch bei der Software habe man auf etablierte Standards wie EEBUS zurückgegriffen. Bei Gisa sehen die Verantwortlichen eine Reihe von Ansatzpunkten zur Weiterentwicklung des Anwendungsfalls. So könnte die Steuerung des Ladevorgangs beispielsweise auch auf der Basis von Preissignalen aus dem Börsenhandel erfolgen. Bereits 2021 hatte Gisa gemeinsam mit Audi ein Pilotprojekt zum netzverträglichen Laden durchgeführt. Damals standen die Nutzung des CLS-Kanals des Smart Meter Gateways sowie dessen Sicherheit und Stabilität im Vordergrund der Betrachtung. Vernachlässigte Verbrauchsseite Mit ihrem Konzept zur zukunftsfähigen Netzintegration der Elektromobilität haben Mitnetz, Elli und E-Bridge auf einen aktuellen Mangel hingewiesen: Zwar existiert mit dem „Redispatch 2.0“ mittlerweile ein planwertbasiertes Engpassmanagement auf der Erzeugungsseite. Auf der Verbrauchsseite gibt es jedoch noch keinen solchen Ansatz. Allerdings können Betreiber von steuerbaren Verbrauchsanlagen auf der Grundlage des § 14a EnWG dem Netzbetreiber gegen ein reduziertes Netzentgelt einen direkten Zugriff in bestimmten Situationen einräumen. Dies setzt einen entsprechenden Netznutzungsvertrag zwischen Verbraucher und Netzbetreiber voraus. Obwohl eine Verringerung der Netzentgelte um 40 bis 70 % möglich wäre, werde diese Option jedoch nur selten genutzt, wie es im „Innovationsimpuls“ der drei Unternehmen heißt. Das Konzept zur innovativen Netzintegration soll die vorhandene Lücke schließen und die Flexibilitätsoptionen im Stromsystem nutzen. Dafür gibt es keine technischen Hürden mehr. Allerdings bedarf es noch einer Anpassung des rechtlich-regulatorischen Rahmens, etwa einer Präzisierung zeitvariabler Netztarife in der Netzentgeltverordnung und der Ausgestaltung des § 14a EnWG auf Grundlage der darin vorgesehenen Verordnungsermächtigung. Hier müsse man statt eines kurativen Modells wie der 2020 vorgeschlagenen..

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THG-Quotenübertragung als Instrument zur Bindung der Kundschaft - wie EVUs und Stadtwerke vom THG-Quotenhandel für Privatleute profitieren können

Seit Anfang 2022 können auch Personen, die ein reines Batterie-Elektrofahrzeugs (BEV) besitzen, von der sogenannten Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) profitieren. Diese wendete sich zu Beginn nur an Betreibende öffentlicher Ladepunkte und wurde eingeführt, um CO₂-Emissionen im Verkehrssektor zu senken. Ziel ist es, klimaschädliche Mobilität immer teurer, klimaschonende Fortbewegung dagegen immer günstiger werden zu lassen. Die Höhe der jährlichen THG-Minderungsquote legt die Bundesregierung fest: aktuell sind es 7%, 2030 sollen es bereits 25% sein. Mineralölunternehmen müssen dabei den CO₂-Ausstoß ihrer fossilen Treibstoffe mit CO₂-Zertifikaten elektrischen Stroms kompensieren, der als nachhaltige Antriebsenergie im Verkehrssektor genutzt wird. Dieser wird mit dem dreifachen seines Energiegehaltes für die Erfüllung der Treibhausgasminderungs-Quote angerechnet. Seit das Instrument vor neun Monaten eingeführt wurde, haben bereits zahlreiche EVUs, Stadtwerke und andere Unternehmen die Chance ergriffen und bieten ihrer Kundschaft die Abwicklung der Vermarktung ihrer THG-Quoten an. Haltende von Elektroautos (BEV), E-Motorrädern und E-Rollern mit privaten Ladepunkten können sich die CO₂-Einsparung ihres E-Fahrzeugs jährlich bescheinigen lassen und das von ihnen eingesparte CO₂ “weiterverkaufen”: mit dem aktuellen Durchschnittswert von ca. 350 kg CO₂ p.a. bei einem E-Auto lassen sich somit etwa 350-400 Euro im Jahr verdienen.   Die meisten Stadtwerke und Energieversorger haben in der Vergangenheit bereits die Quoten ihrer öffentlichen Ladeinfrastruktur abgerechnet, die sie selbst betreiben. Durch die gebündelte Abwicklung von Ladestromquoten der E-Auto-Kunden können sie ihr eigenes abrechenbares Portfolio ausweiten, was ihnen ermöglicht, bessere Erlöse im Quotenhandel erzielen. Aktuell sind für EVUs/Stadtwerke Zusatzerlöse von ca. 15 ct/kWh realistisch. Quotenübertragung als Akquise-Modell für Energieversorgungsunternehmen und Stadtwerke Doch abgesehen von diesen zusätzlich generierten Einnahmen haben viele Energieversorgungsunternehmen und Stadtwerke offenbar noch nicht erkannt, welchen Zusatznutzen ihnen die THG-Quotenübertragung bringt. Gerade die Einfachheit des Serviceangebots sowie die Höhe der Erlöse für die E-Auto-Besitzenden machen eine THG-Quotenvermarktung für Stadtwerke/EVUs zu einem attraktiven Instrument der Akquise und langfristigen Kundenbindung. In einer zunehmend intensiven Wettbewerbslandschaft sind Kundenbindung und „Customer Lifetime Value“, also der durchschnittliche Umsatz, den die Kundschaft während ihrer gesamten Geschäftsbeziehung mit dem Unternehmen erzielt, auch für Energieversorgungsunternehmen und Stadtwerke die zentrale „Währung“. Drei Faktoren sind entscheidend für eine erfolgreiche Zielgruppenbindung. Zum einen klare, auch finanzielle Vorteile für die Kundschaft, beispielsweise durch exklusive Angebote von Energie- & Querverbundleistungen. Zum anderen eine bedürfnisorientierte Ansprache, die die kaufinteressierte Person als Individuum mit ihren Bedürfnissen aus der Masse heraushebt, und zuletzt ein spürbarer Komfortgewinn für die kaufende Person.   Doch um seine Zielgruppe erfolgreich zu binden und mit ihr Umsatz generieren zu können, muss man ihre Bedürfnisse kennen. Die Kundendaten aus der THG-Quotenübertragung bedeuten deshalb einen richtigen Datenschatz, den es zu heben gilt! Damit können Energieversorgungsunternehmen und Stadtwerke ihr Wissen über ihre Kundschaft ausbauen und ihr Produktportfolio entsprechend anpassen. Digitales Zielgruppenmanagement hat großes Potenzial Tatsächlich steckt im digitalen Zielgruppenmanagement und der Nutzung der Kundendaten in digitalen Geschäftsmodellen großes wirtschaftliches Potenzial für Stadtwerke und Energieversorgungsunternehmen. So ermöglicht beispielsweise eine Vernetzung ihrer unterschiedlichen Angebote auf einer zentralen digitalen Plattform Stadtwerken, die Präferenzen ihrer Kundschaft und ihr Konsumverhalten genauer nachvollziehen und eine Wertanalyse der Kundschaft vornehmen zu können. Entsprechend leistungsfähige Lösungen zur Digitalisierung und Vernetzung der unterschiedlichen kommunalen Angebote sind bereits am Markt verfügbar. War eine ganzheitliche Sicht auf das einzelne Profil, auf Verträge sowie das Konsum- und Mobilitätsverhalten der Kundschaft bisher kaum möglich, eröffnen neue Technologien nun erstmals eine 360°-Sicht hierauf. Das eröffnet Optionen für Cross-Selling-Modelle zwischen verschiedenen kommunalen Angeboten und zielgruppenspezifische Bündelprodukten im Querverbund, was allen Beteiligten einen deutlichen Mehrwert bietet. Und ganz entscheidend: Zielgruppendaten sowie die Datenhoheit verbleiben in der Hand der Stadtwerke/EVUs, statt an Drittanbietende abzufließen. Eine spannende Option zum Ausbau des Customer Lifetime Value besteht z.B. darin, die Personendaten aus der THG-Quotenvermarktung mit jenen im ERP-System bereits hinterlegten Personendaten des Energieversorgungsbereichs abzugleichen. Das System zeigt dann beispielsweise, dass Strom- und Gaskundin Frau Müller ihr E-Auto regelmäßig in der Nähe ihrer Wohnung auflädt, also offenbar noch keine eigene Wallbox besitzt. Stadtwerke könnten zudem die Personendaten ihres ÖPNV und weiterer Geschäftsfelder des Querverbunds integrieren. So entsteht ein umfassendes Profil der kaufenden Person. Das Ziel: eine 360°-Sicht auf Kunden und deren Konsum- und Mobilitätsverhalten. Mit diesem Detailwissen lassen sich individuelle Angebote entwickeln, bereichsüberspannende Klientelbindungskonzepte umsetzen und differenzierte Erlösmodelle für Endkonsumierende erproben, die den Wettbewerb außen vor lassen. Gerade die eigenen Leistungen und Serviceangebote im Querverbund bieten einen Vorteil im Wettbewerb mit externen White-Label-Anbietenden. Zudem gehört die Ansprache per Gießkanne – also an alle – der Vergangenheit an. Die Wertschöpfung mit der einzelnen Kundschaft lässt sich spartenübergreifend über das gesamte Angebotsportfolio steigern, egal, ob E-Mobility, digitales Parken, ÖPNV oder Bäder. Durch eine individuelle Ansprache und Pflege der Kaufinteressierten steigt in der Regel auch deren Loyalität und die Preisentwicklung ist nicht mehr das zentrale Argument. “Wir, die Stadtwerke Troisdorf, ermöglichen unseren Kunden den Wechsel in einen nachhaltigen Lebensstil und gestalten diesen für sie so komfortabel wie möglich. Das gilt auch für das Thema THG-Quote, das für viele Kunden noch Neuland ist“, erklärt Alexander Eckner, Bereichsleiter Kunde & Markt bei den Stadtwerken Troisdorf. „Die THG-Quote bietet eine klassische Win-Win-Situation mit enormem Potenzial. Wir haben deren Vorteile erkannt und möchten unseren bestehenden und potenziellen Kunden hier ein 360°-Erlebnis bieten. Dazu gehört auch, dass wir unsere Prozesse und Kommunikation intelligent digitalisieren und vernetzen, denn Schnelligkeit ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.“ Über K.LAB K.LAB treibt seit 2016 Innovations- und Produktentwicklungen für einen Kreis von Partner-EVUs voran. Das Unternehmen ist eine Tochtergesellschaft der m3 management consulting. Weitere Informationen unter www.klab-innovation.de und sophie.kiefer@klab-innovation.de.

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