Das Wasserstoff-Kernnetz soll rund 20 Milliarden Euro kosten und knapp 10.000 Kilometer lang sein. Für die Pläne des Bundeswirtschaftsministers gibt es viel Lob. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat zusammen mit dem Vorsitzenden der Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas (FNB Gas), Thomas Gößmann, die Pläne für ein künftiges deutsches Wasserstoff-Kernnetz vorgestellt. Das Leitungsnetz soll 9.700 Kilometer lang werden und 19,8 Milliarden Euro kosten. Gebaut werden soll es zum Großteil von den Fernleitungsnetzbetreibern, auch bestehende Erdgasleitung sollen in das künftige Wasserstoff-Kernnetz mit einbezogen werden. Wie Habeck auf einer Karte zeigte, ist das Netz so konzipiert, dass alle Regionen Deutschlands erfasst werden. Angeschlossen werden sollen zunächst Anlagen mit einer Wasserstoffleistung von 100 MW aufwärts. Abnehmer sind dabei Industrieunternehmen, aber auch Betreiber von Gaskraftwerken, weiterhin habe man auch Forschungsprojekte aus den sogenannten Reallaboren und mögliche Importpipelines an den Grenzübergängen mitberücksichtigt. Vor allem letzteres sei wichtig. Wie Habeck sagte, könne Deutschland rund 30 bis 50 Prozent seines Wasserstoffbedarfes selbst decken. Die weiteren Mengen müssten aus dem Ausland importiert werden. Das sei bei der Gestaltung des Netzes berücksichtigt werden. Das Wasserstoff-Kernnetz umfasse deshalb auch die großen deutschen Häfen für die Anlandung von Wasserstoff beziehungsweise Ammoniak wie auch aus Frankreich oder Österreich kommende Wasserstoffpipelines. Netz löst Henne-Ei-Problem Das Netz wird nach Angaben Habecks mit einer Ausspeisungskapazität von 270 TWh errichtet. Für das Jahr 2030 rechne man derzeit mit einem Bedarf in Deutschland hingegen von 95 bis 130 TWh. Das Netz ist also zwei bis drei Mal zu groß. Habeck: „Das bedeutet, wir planen für die Zukunft.“ Die Leitungen werden sukzessive im Zeitraum von 2025 bis 2032 in Betrieb genommen. Die Prüfung und Genehmigung des Kernnetzes soll der Bundesnetzagentur obliegen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck stellt Journalisten das Wasserstoff-Kernnetz vor Quelle: Screenshot E&M Wie Thomas Gößmann vom FNB Gas ergänzte, gehen mit dem Wasserstoff-Kernnetz der Bund und die Fernleitungsnetzbetreiber „in Vorleistung, um das Henne-Ei-Problem zu lösen“. Damit werde die Infrastruktur bereitgestellt, damit der Hochlauf der Wasserstoffindustrie erfolgen könne. „Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit, diese wird damit gewährleistet.“ Gößmann dankt der Bundesregierung ausdrücklich für den Einsatz in Sachen Wasserstoff-Kernnetz. Das zeige auch unter anderem das Tempo, mit dem die Regierung zu Werke gehe. „Von der ersten Vorstellung im Kabinett im Mai 2023 bis heute sind nur wenige Tage vergangen. Das beweist das Engagement“, so der FNB-Chef. Auch mit den Planungen zeigen sich die Netzbetreiber zufrieden. Das Netz mit seinen 9.700 Kilometern sei gut dimensioniert. Das meiste davon werde von den Fernleitungsnetzbetreibern gestemmt, aber auch die Verteilnetzbetreiber würden rund 700 Kilometern am Wasserstoffkernnetz zur Verfügung stellen. Gossmann geht davon aus, dass rund 60 Prozent des Wasserstoffkernnetzes aus umgewidmeten Erdgasleitung bestehen werde. Netznutzungsgebühren für alle gleich Um für alle gleiche Bedingungen zu schaffen, werden die Netznutzungsentgelte für alle Nutzer im gesamten Netz gleich hoch sein. Und sie sollen für die Nutzer zudem erschwinglich sein: Es werde ein Amortisationskonto eingerichtet, mit dem die günstigen Gebühren ermöglicht werden und für das der Staat bürgt. Das Konto soll bis zum Jahr 2055 betrieben werden, dann sollten alle aufgelaufenen Kosten abgetragen sein. Die Pläne der Politik und des FNB Gas treffen auf hohe Zustimmung. Der Energieverband DVGW schreibt: „Die Pläne der Bundesregierung zum Kernnetz loben wir ausdrücklich.“ BDEW-Chefin Kerstin Andrea lässt mitteilen: „Es ist gut, dass die Bundesregierung mutig und entschlossen vorangeht und den Bau eines Wasserstoff-Kernnetzes durch die Gasnetzbetreiber unterstützt und ermöglicht.“

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In der Raffinerie Heide wird kein 30-MW-Elektrolyseur, wie er im Reallabor Westküste 100 vorgesehen war, gebaut. Das gab das Konsortium nun bekannt. Vor über drei Jahren hatten sich die drei Unternehmen Raffinerie Heide, Orsted Deutschland und Hynamics Deutschland zum Joint Venture „H2 Westküste GmbH“ zusammengeschlossen. Im Rahmen des Projektes „Reallabor Westküste 100“ verfolgten sie das Ziel, auf dem Gelände des Industriebetriebs in Hemmingstedt (Schleswig-Holstein) einen 30-MW-Elektrolyseur zur Produktion von grünem Wasserstoff zu errichten. Der Strom sollte aus lokaler Windkraft kommen. Nun legte das Konsortium das Vorhaben ad acta. Als Gründe für die negative Investitionsentscheidung gibt das Konsortium die gestiegenen Investitionskosten und die damit einhergehenden großen wirtschaftlichen Risiken an. Nähere Zahlen will es auf Nachfrage nicht nennen. Bekannt ist: Das Bundeswirtschaftsministerium förderte das Projekt seit 2020 mit einer Gesamtsumme von 36 Millionen Euro. Etwa 1 Million Euro davon wurde bereits ausgegeben, so eine Sprecherin des Konsortiums gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) Mitte November. Zu dieser Entscheidung lässt sich Roland Kühl, Geschäftsführer der Raffinerie Heide, in einer gemeinsamen Mitteilung der Unternehmen wie folgt zitieren: „Die Bundesregierung hat die Reallabore in Deutschland damit beauftragt, die Machbarkeit der Produktion von grünem Wasserstoff zu untersuchen und Chancen, Hürden und Risiken auszuloten. Genau das haben die drei Partner seit Beginn des Projekts getan“. Von einer „vernünftigen Entscheidung“ spricht Jörg Kubitzka − „ein Projekt lebt von der Wirtschaftlichkeit und die war hier leider nicht gegeben.“ Der Geschäftsführer von Orsted in Deutschland betont: „Für Orsted steht außer Zweifel, dass Wasserstoff ein wichtiger Eckpfeiler in der Dekarbonisierung der deutschen Industrie spielen wird. Dafür müssen aber die Kosten stimmen und ein Markt geschaffen werden.“ Kühle ergänzt: „Der Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft an der Westküste Schleswig-Holsteins spielt nach wie vor eine wichtige Rolle.“ Auch nach der jetzt getroffenen Entscheidung werde man weiter mit Hochdruck an der Dekarbonisierung der Raffinerie Heide arbeiten. Gewonnene Erfahrungen nicht umsonst Ziel des Westküste-100-Projektes war es, die regulatorischen, wirtschaftlichen und technologischen Voraussetzungen für den Bau und die Inbetriebnahme eines Elektrolyseurs zu prüfen und nötige Weiterentwicklungen zu identifizieren. Die seit Projektstart geleistete Arbeit und die damit gewonnenen Erkenntnisse sind, so betont es das Joint Venture, unabhängig von der nun getroffenen Investitionsentscheidung. „Westküste 100 hat es ermöglicht, wertvolle Fähigkeiten und Kompetenzen zu entwickeln. Wir werden uns weiter für die Dekarbonisierung einsetzen und nutzen das erarbeitete Wissen bereits für zukünftige Projekte“, erklärte Antoine Aslanides, Geschäftsführer der Hynamics Deutschland. Nachdem keine positive Investitionsentscheidung getroffen wurde, werden die Joint-Venture-Partner jetzt in enger Abstimmung mit dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Projektträger Jülich die Abwicklung der H2 Westküste GmbH vorbereiten. Das Bundesland Schleswig-Holstein will bis 2040 klimaneutrales Industrieland werden. Hierfür sollen insbesondere die lokale Windkraft und grüner Wasserstoff zum Einsatz kommen. Landesumweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) kommentierte das Aus des 30-MW-Elektrolyse-Projektes gegenüber dem NDR mit den Worten: „Heute ist ein kleinerer Baustein eines Projektes in Heide abgesagt worden“. Der Politiker verwies auf das Projekt „Hyscale 100“, das unabhängig von Westküste 100 weiterlaufe. Bei diesem Projekt geht es um die großtechnische Produktion von Wasserstoff durch einen 100-MW-Elektrolyseur am gleichen Standort. Die Landesregierung stehe voll dahinter, so Goldschmidt. Hyscale 100 ist mehr als dreimal so groß wie Westküste 100 und gelte als Projekt für die ganze Region. Jedoch: Auch Hyscale 100 befindet sich noch in der Planungsphase. Kein grüner Wasserstoff für regionalen Energieversorger Auf den grünen Wasserstoff aus dem Westküste-100-Projekt haben die Stadtwerke Heide gehofft. Ihr Teilprojekt „Grüner Heizen“ ist unmittelbar von dem Aus betroffen. Im Rahmen des Projektes wollten die Stadtwerke den grünen Wasserstoff in das lokale Heizsystem integrieren. Gegenüber dem NDR kritisierte Andreas Hein, Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke, das Fehlen geeigneter gesetzlicher Rahmenbedingungen zur Realisierung solcher Projekte. Zudem sei im Rahmen des Vorhabens auch eine Wasserstoffleitung gebaut worden, die nun vermutlich wieder für den Transport von Erdgas genutzt werden solle, wie Hein gegenüber dem NDR weiter ausführte. Eine abschließende Einschätzung des Teilprojektes wollen die Stadtwerke zu diesem Zeitpunkt auf Nachfrage nicht abgeben.

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Die Ferngas Netzgesellschaft mbH hat seit 1. September eine neue Geschäftsführung. Die Nachfolge für Mathias Trostorff ist geregelt. Antje Dimitrovici ist seit dem 1. September 2023 die neue Geschäftsführerin des Netzbetreibers Ferngas Netzgesellschaft mbH (Ferngas) mit Sitz in Nürnberg. Die Neubesetzung der Geschäftsführung erfolgt „im Rahmen einer geplanten Nachfolgeregelung von Mathias Trostorff“, gibt das Unternehmen in einer Mitteilung bekannt. Trostorff ist altersbedingt aus dem Amt ausgeschieden. Seine Nachfolgerin ist, wie es weiter heißt, seit mehr als 20 Jahren in der Energiebranche tätig. Zuletzt war sie Geschäftsführerin der ENWG Energienetze Weimar GmbH & Co. KG, davor kaufmännische Leiterin der Ferngas und deren Vorgängergesellschaften. Dr. Stefan Seipl, dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Ferngas, sieht Dimitrovici als „äußerst qualifizierte Führungspersönlichkeit aus dem regulierten Netzgeschäft“, die die Arbeit von Trostorff nahtlos fortsetzen und den Netzbetreiber in eine neue Ära einer klimaneutralen Gaswirtschaft führen werde.

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Die EU geht mit wesentlich besseren Aussichten für eine sichere Strom- und Gasversorgung in den bevorstehenden Winter als vor einem Jahr. Die Spitzenverbände der europäischen Übertragungsnetzbetreiber für Strom und Gas, Entso-E und Entso-G, halten die Versorgung mit leitungsgebundener Energie in den kommenden Monaten für weitgehend gesichert. Die Lage auf den Energiemärkten habe sich gegenüber dem Vorjahr weitgehend normalisiert, heißt es in der gemeinsamen Winterprognose der beiden Verbände, die am 16. November in Brüssel vorgestellt wurde. Risiken für die Versorgung sehen sie nur im Fall eines langen und besonders kalten Winters oder anderer, ungünstiger Witterungsverhältnisse. Die EU sei mit sehr gut gefüllten Speichern (96 Prozent) in die Wintersaison gestartet, sagte Kacper Zeromski von Entso-G. Das entspricht 1.091 TWh oder einem Drittel des Verbrauchs im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Die zusätzlichen LNG-Terminals, die in den letzten Monaten in Deutschland und Finnland in Betrieb gegangen seien, hätten die Versorgungslage grundlegend verändert. Die EU verfüge damit über ausreichende Infrastrukturkapazitäten, um die Versorgung auch dann zu sichern, wenn die verbleibenden russischen Lieferungen ausblieben. Dabei habe man die strategischen Reserven der Mitgliedsstaaten nicht berücksichtigt, sagte Zeromski. Sie machten knapp 10 Prozent der gesamten Reserven aus. Ihre Verwendung könne nationalen Einschränkungen unterliegen. Auch Gas, das Versorger aus der EU in der Ukraine gespeichert hätten, sei nicht in die Verfügbarkeitsanalyse von Entso-G eingegangen. Grundsätzlich sei die Nutzung ukrainischer Speicher aber eine zusätzliche Option. Die Beschädigung des Interconnectors zwischen Finnland und Estland verhindere zwar die direkte Kooperation der Finnen mit dem Baltikum, stelle aber keine ernste Gefahr für die Versorgungssicherheit dieser Länder dar. Extreme Witterungsverhältnisse könnten allerdings auch in diesem Winter zu vorübergehenden Engpässen führen. Die meisten Probleme würden dann durch den Preisanstieg und den damit verbundenen Rückgang der Nachfrage gelöst. Darüber hinaus empfiehlt Entso-G eine möglichst enge Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten, insbesondere bei der Nutzung der Infrastruktur. Die EU verfüge inzwischen über genügend Kapazität an ihren LNG-Terminals, um die verbleibenden russischen Gaslieferungen zu ersetzen. Das Gas müsse dann jedoch auch von West- nach Osteuropa transportiert werden. Im Prinzip jede erwartbare Stromnachfrage bedienbar Auch die Elektrizitätswirtschaft geht optimistisch in die Wintersaison. Entso-E erwartet, dass sich die Nachfrage nach Strom auf dem durchschnittlichen Niveau der vergangenen Jahre bewegt. Dem stünden höhere Kapazitäten gegenüber, sagte der Analyst des Verbandes, Simon Art. Die meisten französischen Atomkraftwerke, die im letzten Winter wegen Wassermangel oder aufgrund von Wartungsarbeiten nicht zur Verfügung standen, seien ans Netz zurückgekehrt. Die Stauseen vor allem in den skandinavischen Ländern seien wieder gut gefüllt und die Zahl der Windräder und Photovoltaik-Anlagen sei in den letzten zwölf Monaten weiter gestiegen. Damit könne, im Prinzip, jede erwartbare Nachfrage bedient werden. Das sogenannte „kritische Gasvolumen“ sei im Vergleich zum Vorjahr um 10 Prozent zurückgegangen. Damit ist die Menge an Gas gemeint, die über den gesamten Winter benötigt wird, um den Lastenausgleich zu jedem Zeitpunkt sicherzustellen. Allerdings gebe es regionale Versorgungsrisiken, insbesondere an den Rändern der EU sowie in einzelnen Regionen in Frankreich und Belgien. In Zypern und Malta sei die Versorgung vollständig von der lokalen Erzeugung abhängig, weil die Inselstaaten nicht mit dem Übertragungsnetz auf dem Festland verbunden seien. Die Versorgung in Irland hänge stark von der Windenergie ab und seine Gaskraftwerke seien alt und störanfällig. In Polen könnten Engpässen bei der Braunkohleversorgung nicht vollkommen ausgeschlossen werden. Zu Engpässen könne es auch in Finnland kommen, dessen Versorgung zunehmend vom Windaufkommen abhänge. Besonders in windarmen Zeiten sei das Land auf Stromimporte aus den Nachbarländern angewiesen. In Finnland hat in diesem Jahr zwar ein neues Atomkraftwerk den Betrieb aufgenommen, gleichzeitig wurde die Kapazität des Interkonnektors nach Schweden aber um 300 MW gekürzt. Für den deutschen Elektrizitätsmarkt sieht man angesichts üppiger Reserven in Brüssel keine grundsätzlichen Probleme. Allerdings bestehe die Gefahr, dass Kraftwerke, die am Markt teilnähmen, als technische Reserve nicht mehr zur Verfügung stünden. Für das Jahr 2024 erwartet Ensto-E eine Nachfrage von 547 Milliarden kWh in Deutschland. Für Elektrofahrzeuge veranschlagen die Netzexperten 8,3 Milliarden kWh, für Wärmepumpen 4,9 Milliarden kWh und für Datenverarbeitungszentren 9,9 Milliarden kWh. Die im Januar 2024 benötigte Spitzenlast schätzt Ensto-E auf 88.500 MW.

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Die staatlichen Energiepreisbremsen bleiben bis Ende März 2024 in Kraft. Für die Energieversorger komme die Entscheidung zu spät für eine fristgerechte Umsetzung, so die Verbände. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wurden Strom-, Erdgas- und Fernwärmekunden in Deutschland in diesem Jahr durch staatliche Preisdeckel vor einer finanziellen Überforderung bewahrt. Am späten Abend des 16. November verlängerte der Bundestag diese Regelung bis zum 31. März 2024. Damit bleibt der Erdgaspreis auf 12 Cent/kWh und der Strompreis auf 40 Cent/kWh sowie der Fernwärmepreis auf 9,5 Cent/kWh begrenzt, allerdings nur für 80 Prozent des Verbrauchs des Haushalts von 2021/2022, um zum Sparen anzuregen. Die Energieversorger müssen sich per Antrag bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Einnahmen wieder zurückholen, die ihnen so entgehen. Das komplizierte Modell war notwendig, weil der Staat keine Datenbank hat, aus der er Haushaltsgrößen und Einkommenssituation ersehen kann, um bedürftige Bürgerinnen und Bürger gezielt zu entlasten. Schon bei der überstürzten Einführung der Preisbremsen im Dezember 2022 benötigten die Energieversorger für die Berechnungen und Briefe an tausende Kunden drei Monate Zeit. So konnten sie erst ab März 2023 umgesetzt werden, rückwirkend ab Januar. Die Lage auf den Energiemärkten hat sich mittlerweile stabilisiert. Die Fortführung der Preisbremsen sei „eine Versicherung gegen unerwartete Risiken“, heißt es in der Verordnung von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Nach den Berechnungen von Vergleichsportalen dürfte die Entlastung der Verbraucher nur noch gering ausfallen, im Bereich von einem Prozent. Ursprünglich hatte die Ampelkoalition die Preisbremsen bis 30. April 2024, dem Ende der Heizsaison, verlängern wollen. Doch die EU-Kommission hatte nur eine Verlängerung bis Ende März befürwortet. Energieversorger erneut überfordert Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) kritisierten scharf, dass ohne Not die Verlängerung der Preisbremsen erst anderthalb Monate vor dem Jahreswechsel beschlossen wurde. „Eine reibungslose und fristgerechte Umsetzung der Preisbremsenverlängerung durch die Energieversorger zum 1. Januar 2024 kann daher nicht garantiert werden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Wegen absehbarer Verzögerungen bei den Abrechnungen bitte man die Strom- und Gaskunden schon jetzt um Verständnis. Verschärfend kommt die unklare Lage zur Mehrwertsteuersenkung auf Erdgas und Fernwärme hinzu. Vom 1. Oktober 2022 bis Ende März 2024 war der Satz auf 7 Prozent statt 19 Prozent gesenkt worden, um Haushalte und produzierendes Gewerbe zu entlasten. Im Oktober 2023 wollte die Bundesregierung die Mehrwertsteuer doch schon zum 31. Dezember 2023 wieder anheben. Aktuell soll die Senkung aber bis Ende Februar 2024 weiter gelten. Auch hier werde alles durch ungleiche Zeiträume unnötig kompliziert, kritisierten die Vertreter der Energieunternehmen. Klagedrohung der CDU/CSU Unterdessen kündigte Unionsfraktionschef Friedrich Merz an, nach dem Karlsruher Haushaltsurteil über die Verwendung der Corona-Mittel für den Klimafonds auch das Sondervermögen für die Energiepreisbremsen auf Verfassungsmäßigkeit überprüfen. Er rechne bis Ende November mit einem ersten Ergebnis eines von ihm in Auftrag gegebenen Rechtsgutachtens. Es könnte also sein, dass auch die Sondermittel für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt würden. Die Union würde bei positivem Rechtsgutachten auch gegen diesen Fonds nach Karlsruhe gehen, kündigte Merz an. Aus dem WSF werden aber die Energiepreisbremsen finanziert. Bis Ende Oktober 2023 wurden für die Preisbremsen bereits 31,2 Milliarden Euro ausgezahlt. Noch keine Freigabe durch die EU „Ärgerlich ist aber, dass mit der Einigung in der Koalition zur Preisbremsenverlängerung und dem zu erwartenden Beschluss noch längst nicht die notwendige Klarheit besteht“, kritisierten BDEW und VKU. Es fehle noch immer die europarechtliche Grundlage. „Entsprechend können die Energieversorger noch immer nicht mit der Umsetzung starten“, so die Verbände. Das alles führe zu hohen Belastungen der Kolleginnen und Kollegen in den Unternehmen und zu Verdruss bei Kundinnen und Kunden. Unterdessen haben etliche Energieversorger ihre Grundpreise erhöht und dafür die Arbeitspreise knapp unter das Preisbremsenniveau gebracht, um der Unklarheit und dem Mehraufwand zu entgehen. Die von der Regierung angekündigte eigene Datenbank, mit der künftig gezielt hilfsbedürftige Bürgerinnen und Bürger entlastet werden könnten, steht noch nicht bereit.

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