Was sind zeitvariable Netzentgelte überhaupt

Für die beteiligten Marktakteure ist die Umsetzung der dynamischen Netzentgelte herausfordernd. Es ist anzunehmen, dass nur wenige zum Stichtag am 1. April 2025 „ready“ sind. Ab dem 1. April 2025 müssen die Verteilnetzbetreibern den Verbrauchern ein zeitvariables Netzentgelt anbieten. Damit soll die Bereitschaft angereizt beziehungsweise vergütet werden, den Stromverbrauch aus Hochlastzeiten in nachfrageschwächere Zeiträume zu verlagern. Die Grundlage dafür bilden der §14a Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) zur Integration steuerbarer Verbrauchseinrichtungen ins Stromsystem und dessen Ausgestaltung durch die entsprechende Festlegung der Bundesnetzagentur. Darin ist verankert, dass diejenigen Verbraucher eine Entlastung bei den Netzentgelten erhalten, die sich zu einer netzorientierten Steuerung ihrer Anlagen, etwa Wärmepumpen oder Wallboxen zum Laden von Elektrofahrzeugen, durch den Netzbetreiber bereiterklären. Zwar wird das reduzierte Netzentgelt am Ende in der Stromrechnung des Lieferanten ausgewiesen, die beteiligten Netzbetreiber müssen jedoch genauso umfangreiche Vorkehrungen treffen, um die Umsetzung der rechtlichen Vorgaben zu gewährleisten. Die Bundesnetzagentur weist auf ihrer Internetseite darauf hin, dass nur diejenigen Verbraucher in den Genuss reduzierter Netzentgelte kommen können, die an der netzorientierten Steuerung teilnehmen. Voraussetzung für die netzorientierte Steuerung ist jedoch die technische Ausstattung des Kunden. Diese bestehe vor allem aus einem intelligenten Messsystem und einer damit verbundenen Steuerungseinrichtung. Intelligente Messsysteme sind eine Voraussetzung Da sich der Einbau von Steuerungseinrichtungen derzeit noch verzögern könne, sei es möglich, bei drohenden Überlastungen des Netzes übergangsweise noch ältere Steuerungstechnik einzusetzen, schreibt die Bundesnetzagentur auf ihrer Internetseite. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) der einen großen Teil der Verteilnetzbetreiber und damit auch der grundzuständigen Messstellenbetreiber, die für den Smart Meter Rollout verantwortlich ist, gibt zu bedenken, dass der Rollout intelligenter Messsysteme bislang aus mehreren Gründen „verhalten“ gelaufen ist.„Hauptgrund war die fehlende Wirtschaftlichkeit, die erst nach Anpassung des Regulierungsrahmens gegeben war“, so ein Sprecher auf Anfrage von E&M. Laufend neue regulatorische Anforderungen, offene technische Umsetzungsfragen und der hohe Bedarf an Fachkräften seien weitere Hemmnisse gewesen. Auch die Verfügbarkeit von Geräten und technische Schwierigkeiten beim Einbau seien in der Vergangenheit limitierende Faktoren gewesen. Zahlen, wie viele Verteilnetzbetreiber nun ab dem 1. April in der Lage sind, die zeitvariablen Netzentgelte umzusetzen, liegen dem Verband dem Sprecher zufolge nicht vor. Auch eine Einschätzung gab der VKU nicht ab. Nur so viel: „Die hohe Frequenz neuer Vorgaben und eng getaktete Umsetzungszeiträume stellen eine Herausforderung für die Branche dar, insbesondere für Mitarbeiter, die sich um IT und Abrechnungssysteme kümmern.“ Allerdings zeige die Erfahrung, dass die Stadtwerke die Herausforderungen trotz des hohen Fachkräftebedarfs erfolgreich meistern werden. „Auf die Stadtwerke ist Verlass“, heißt es von offizieller Seite. Beim Bundesverband der Energiemarktdienstleister (BEMD) ist man etwas verbindlicher. Eine allerdings sehr kurzfristige und kurze Rücksprache mit einigen Mitgliedern, lässt den Verband annehmen, dass noch nicht ganz 25 Prozent der Verteilnetzbetreiber die variablen Netzentgelte umgesetzt haben. Eine konkrete Zahl lasse sich jedoch nicht nennen, so ein Sprecher. Eine lange Liste von Gründen lasse sich für die noch geringe Umsetzungsquote nennen, etwa die Menge der Daten, die in Echtzeit verarbeitet werden müssen, oder die dynamische Tarifbildung und die Umstrukturierung der Kundenportale. Außerdem gebe es Herausforderungen beim Datenschutz, bei der Integration der neuen Marktrollen und bei den Schnittstellen zu den mittlerweile auch automatisierten Prozessen, inklusive der Kompatibilität mit den Vorgaben der Marktkommunikation. Der BEMD vertritt unter anderem Abrechnungs-, Zähl-, Mess- und IT-Dienstleister in der Energiewirtschaft.

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Die BBH-Gruppe gründet zum 1. April 2025 die BBH Engineering GmbH in Berlin. Sie will darüber Planungsleistungen im Bereich Energie und Infrastruktur anbieten. Zum 1. April 2025 erweitert die BBH-Gruppe mit Sitz in Berlin ihr Leistungsspektrum: Mit der Gründung der „BBH Engineering GmbH“ − kurz BBHE − steigt der Unternehmensverbund erstmals in die technische Planung von Energie- und Infrastrukturprojekten ein. Das neue Tochterunternehmen wird sich auf Planungs- und Ingenieurdienstleistungen für die Energie- und Wasserversorgung, Abfallbehandlung sowie Industrie- und Gewerbebauten konzentrieren. Laut BBH verfolgt die neue Einheit das Ziel, kommunale und gewerbliche Vorhaben technisch und planerisch zu begleiten – von der ersten Idee bis zur Realisierung. Der Fokus liegt auf Anlagensystemen für Energie- und Klimalösungen. Das Leistungsportfolio umfasst sämtliche Planungsphasen von der ersten Konzeptidee über die Entwurfs- und Genehmigungsplanung bis zur Bauüberwachung gemäß der sogenannten „Honorarordnung für Architekten und Ingenieure“ (HOAI, Leistungsphasen 1 bis 8). Ergänzend werden Leistungen in Netzplanung, Baukörperentwicklung und Tiefbau angeboten. Damit will das Unternehmen integrierte Standort- und Quartiersentwicklung ermöglichen. Zielgruppen aus kommunalem und gewerblichem Umfeld Zu den potenziellen Auftraggebern zählen laut BBH vor allem Kommunen, Energiegenossenschaften, Stadtwerke, Energieversorger sowie Wohnungsunternehmen. Das Startteam der BBHE besteht eigenen Angaben nach zu Beginn aus acht Mitarbeitenden. Dazu zählen Elektroingenieure, Fachkräfte für Technische Gebäudeausrüstung − kurz TGA −, Wirtschaftsingenieure, Bauingenieure und technische Zeichner. Bis Ende dieses Jahres soll das Team auf 15 bis 20 Personen anwachsen, wie BBH erklärt. Die Geschäftsführung soll ein Trio übernehmen: Helmut Bangert und Marco Ohme bringen beide langjährige Erfahrung aus der Viessmann Group mit, insbesondere im Bereich multivalenter Energie- und Klimalösungen. Ergänzend kommt Marcel Malcher dazu, der dem Vorstand der BBH Consulting AG (BBHC) angehört und zugleich Partner der BBH-Gruppe ist. Erweiterung der Wertschöpfungstiefe Malcher betont, dass die neue Gesellschaft das bestehende Beratungsangebot sinnvoll ergänze. Wörtlich sagt er: „Durch diese Erweiterung schaffen wir beste Voraussetzungen, um die Energiewende noch aktiver mit voranzutreiben – und zwar jetzt von der Idee bis zur Inbetriebnahme.“ Auch Bangert und Ohme sehen in der Gründung eine logische Fortsetzung der bisherigen Zusammenarbeit mit der BBH-Gruppe. Die BBH-Gruppe ist tätig in der rechtlichen, betriebswirtschaftlichen und strategischen Beratung für Energie- und Infrastrukturdienstleister. Das Unternehmen betreut nach eigenen Angaben rund 7.000 Mandanten – darunter Stadtwerke, Kommunen, Industrieunternehmen sowie internationale Konzerne. An sieben Standorten beschäftigt die Gruppe mehr als 700 Personen.

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Im Durchschnitt sanken die Strompreise auf der mittleren Spannungsebene innerhalb des vergangenen Jahres um 15 Prozent. Das berichtet der Bundesverband der Energie-Abnehmer (VEA). Die Großhandelspreise für Strom sind im zweiten Halbjahr 2024 auf Jahresbasis um 29 Prozent gesunken; zudem entlastet der Gesetzgeber seit diesem Jahr Netzbetreiber mit überproportional vielen Erneuerbaren-Energien-Anlagen bei den Netzentgelten. Dies führt in Summe zu sinkenden Strompreisen auf der mittleren Spannungsebene, also etwa für die Industrie, berichtet der Bundesverband der Energie-Abnehmer (VEA) am 10. Januar 2025. Und das wirkt sich finanziell erst in diesem Jahr positiv für die Industrie auf, weil die im zweiten Halbjahr 2024 ausgehandelten und erhobenen Verträge seit Neujahr in der Lieferphase sind. Der VEA listet zugleich für das erste Quartal dieses Jahres Verschiebungen in den Strompreisen zwischen 50 verschiedenen Netzgebieten auf. Demnach gibt es die größten prozentualen Preissenkungen im Netzgebiet der Wemag Netz mit Sitz in Schwerin (-31,8 Prozent), in dem der Schleswig-Holstein Netz mit Sitz in Quickborn (-28,5 Prozent) und der Edis mit Sitz in Fürstenwalde (-24,6 Prozent) – alles Netze mit überdurchschnittlichem Aufwand wegen besonders vielen Erneuerbaren-Zubaus. Der Industriestrom kommt selbstverständlich nicht von diesen Netzbetreibern, er wird von ihnen nur transportiert, aber die Netzentgelte, die sie dafür erheben, sind in ihrem jeweiligen Netzgebiet einheitlich und führen daher netzintern auch zu ähnlichen Industriestrompreisen. Die geringsten Preisrückgänge sind im Netzgebiet der AVU Netz mit Sitz in Gevelsberg (-7,6 Prozent), der EWR Netz mit Sitz in Worms (-8,0 Prozent) und der Pfalzwerke Netzgesellschaft mit Sitz in Ludwigshafen (-8,4 Prozent) zu beobachten. Tabellarische Übersicht der Strompreise im 1. Quartal 2025 – Zur Vollansicht bitte auf die Grafik klicken Quelle: VEA Jetzt ist der Osten stromtechnisch günstiger Der bundesweite Ausgleich der energiewendebedingten Netzausbau-Kosten sorgen dafür, dass in den neuen Bundesländern im Vergleich zu den alten Bundesländern die Strompreise geringer ausfallen: So beträgt der durchschnittliche Strompreis in den neuen Bundesländern 17,77 Ct/kWh und ist damit um 0,69 Ct/kWh beziehungsweise 3,7 Prozent niedriger als der mittlere Preis in den alten Bundesländern (18,46 Ct/kWh). Die Differenz zwischen dem nach diesem Vergleich preisgünstigsten (EWE Netz mit 15,94 Ct/kWh) und teuersten Netzgebiet (Netze BW mit Sitz in Karlsruhe 20,24 Ct/kWh) beträgt 4,30 Ct/kWh beziehungsweise 27,0 Prozent. Die in der Tabelle genannten Preise berücksichtigen alle Kosten für die jeweilige Netznutzung, die Strombeschaffung, für das KWKG, die Paragraf-19-StromNEV-Umlage, die Offshore-Umlage und die Abschaltbare-Lasten-Umlage, die Konzessionsabgabe (KA) sowie eine am Markt übliche Marge für den Lieferanten. Lediglich die Strom- und Mehrwertsteuer sind vom Kunden zusätzlich zu entrichten. Hintergrund zum VEA-Strompreisvergleich Der Preisvergleich umfasst insgesamt 50 große Netzgebiete in Deutschland. Damit wird ein erheblicher Teil des deutschen Stromnetzes abgedeckt. Der VEA veröffentlicht den Vergleich seit Januar 2002 für einzelne Netzbereiche in 15 typischen Mittelspannungsseitig versorgten Abnahmefällen. Grundlage für die genannten Preise sind Vollstromversorgungs-Verträge mit Vertragsbeginn 1. Januar 2025 und einer Laufzeit von zwölf Monaten, die Unternehmen im zweiten Halbjahr 2024 abgeschlossen haben.

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Eine einzige Karte fürs Tanken und Laden hat VW Financial Services längst. Demnächst wird auch die Konzern- und Abwicklungsstruktur dahinter verschlankt. Der VW-Konzern strafft seine Struktur für Tank- und Ladekarten. Einer Mitteilung der VW-Tochter Volkswagen Financial Services AG zufolge legt sie „voraussichtlich“ im März den spezialisierten Zahlungsdienstleister (Payment Service Provider) Logpay Transport Services GmbH mit jenen Geschäftseinheiten der VW Group Charging GmbH zusammen, die mit Mobilitätsdienstleistungen und Fahrzeugflotten zu tun haben. VW Group Charging hat den Markennamen Elli. Ihre künftige 100-prozentige Tochter aus ihren eigenen Dienstleistungen für den Individualverkehr und der Logpay Transport soll Elli Mobility GmbH heißen. Die Transaktion steht unter behördlichem Vorbehalt. Zum CEO wurde Joschi Jennermann berufen. Er ist seit August 2023 bei der Mutter Elli, so das Portal electrive.net, und hat zuvor bei dem Carsharing- und Automiet-Dienstleister „Miles“ das Flottenmanagement organisiert. CFO soll Sebastian Steffen werden, er kommt von VW Financial Services, wo er sich um Wagniskapital und strategische Kooperationen kümmert. „Die Bündelung unserer Kräfte positioniert uns als einen der führenden Mobilitätsanbieter in Europa“, erklärt Giovanni Palazzo, CEO von Muttergesellschaft Elli. Das Angebot werde unter anderem „den gewachsenen Ansprüchen ‚gemischter‘ Haushalte und Flottenfahrzeugen mit Verbrennungs- und Elektroantrieben gerecht“. Die „Charge & Fuel Card“ Eine Plastikkarte und Mobil-App sowohl fürs Tanken als auch fürs Laden hat VW Financial Services unter dem Markennamen „Logpay“ schon seit Jahren, und zwar unter den Namen „Charge & Fuel Card“ oder „App“. Sie verschafft Privat-, Geschäfts- und Flottenkunden mittlerweile Zugang zu und unbare Bezahlung bei mehr als 600.000 Ladestationen und Tankstellen in Europa, nicht zuletzt zu den Ladepunkten von Ionity, an der VW beteiligt ist. Seit 2021 waren auch die Elli-Ladepunkte dabei. Seit 2024 sind die Tarife vereinheitlicht. Die Zahlungsabwicklung geht mittlerweile unter dem Dach der VW Financial Service aber auch schon ins kassenlose Bezahlen via App, in die Erstattung privater Ladekosten bei Dienstwagen daheim durch den Arbeitgeber und das vollautomatische Bezahlen durch Fahrzeugerkennung hinein, wie aus der Website hervorgeht. VW Financial Services hatte die Logpay Transport Services GmbH, die demnächst verschwindet, bereits 2017 aus der Mutter Logpay Financial Services GmbH herausgekauft, um mit ihr das europaweite Tank- und Mautgeschäft zu zentralisieren. Verkäufer war die heutige DZ Bank. Zwei Jahre später übernahm die VW-Finanzierungstochter von ihr auch die Mutter. Die restlichen Geschäftseinheiten von Logpay Financial Services sind von der jetzigen Transaktion nicht betroffen, etwa die Tochter Logpay Mobility Services. Sie ist die mit mehr als 300 Nahverkehrsbetreibern der führende ÖPNV-Zahlungsabwickler Deutschlands. Ebenso unberührt sind bei Elli beispielsweise der Stromhandel, der Stromvertrieb oder die Ladesäulen- und Batteriespeicher-Projektierung.

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Gaspreise in Osnabrück sinken Die Stadtwerke Osnabrück senken zum 1. März die Gastarife in der Grundversorgung. Bei einem Jahresverbrauch von 18.000 kWh soll das rund 600 Euro ausmachen. Geringere Preise, weniger Tarife: Die Stadtwerke Osnabrück unterscheiden ab 1. März in der Gasgrundversorgung nur noch zwei Verbrauchergruppen. Für Haushalte mit einem Jahresverbrauch bis 6.600 kWh gilt künftig ein Verbrauchspreis von 12,40 Ct/kWh netto. Hinzu kommen monatlich 4,50 Euro netto als Grundpreis. Ab 6.601 kWh berechnen die Stadtwerke 10,90 Ct/kWh und 12,75 Euro pro Monat. Die Jahresrechnung eines Musterhaushalts mit einem Jahresverbrauch von 18.000 kWh fällt nach Angaben des kommunalen Versorgers um rund 600 Euro geringer aus als bisher. Aktuell betragen die Verbrauchspreise für „Glas kassik“ 16,45 Ct/kWh (bis 2.608 kWh), 14,15 Ct/kWh (2.609 bis 14.000 kWh), 13,70 ct/kWh (14.001 bis 45.000 kWh) und 14,04 Ct/kWh (ab 45.001 kWh). Die entsprechenden monatlichen Grundpreise belaufen sich auf 2,50, 7,50, 12,75 und null Euro. „Wir freuen uns, die gesunkenen Einkaufspreise auf den Energiemärkten direkt an unsere Kunden weitergeben zu können − und das, obwohl von uns nicht beeinflussbare Tarifbestandteile wie der CO2-Preis und die Netzentgelte weiter gestiegen sind“, kommentiert Stadtwerke-Vorstandsvorsitzende Daniel Waschow die Preisanpassung. Zuletzt hatte das Unternehmen die Preise im August 2022 geändert. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) errechnete im Dezember für das Jahr 2024 einen bundesweiten Durchschnittspreis von 11,02 Ct/kWh (brutto) für Haushalte in Einfamilienhäusern mit einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh. Im Jahr 2023 lag dieser Wert bei 13,99 Ct/kWh, 2022 bei 16,47 Ct/kWh.

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Das BSH geht über die gesetzlichen Offshore-Ausbauziele hinaus: Es will bis 2037 etwa 60.000 MW ausweisen. Dabei betritt die maritime Bundesbehörde BSH auch rechtlich mehrfach Neuland. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) hat in der planungsrechtlichen Absicherung des nationalen Offshore-Windkraftausbaus die gesetzlichen Ziele vorgezogen: Die zentrale maritime Behörde des Bundes veröffentlichte am 7. Juni den „Entwurf“ des Flächenentwicklungsplans (FEP) für die Ausschließliche Wirtschaftszone innerhalb der deutschen See. Demnach reicht der Planungshorizont nun bis 2037 statt 2030, und für das Zieljahr werden Flächen, Inbetriebnahme-Jahre, Ausschreibungsjahre und Netzanschlüsse für insgesamt etwa 60.000 MW ausgewiesen. Derzeit sind 8.460 MW Windenergie-Leistung offshore in Betrieb. Das gesetzliche Ziel für 2035 lautet 40.000 MW. Die neue Flächenfestlegung des BSH für jenes Jahr beläuft sich demgegenüber auf 50.000 MW. Der „Entwurf“ ersetzt den „Vorentwurf“ des FEP, den das BSH im September 2023 veröffentlicht hatte (wir berichteten). Er wird jetzt bis Juli / August öffentlich konsultiert, sodass ihn das BSH nach Abarbeitung aller Einwendungen am Jahresende in Kraft setzt. Bisher gilt der FEP von Januar 2023 (wir berichteten). Berufung auf ein unfertiges Gesetz Das BSH betritt mit der neuen Fortschreibung des FEP in mehrerlei Hinsicht rechtliches Neuland: So sind 36.000 MW der 60.000 MW sowie Netzinfrastruktur-Gebiete für 2037 erstmals sogenannte Beschleunigungsflächen. Das bedeutet, dass deren Genehmigung erleichtert wird. Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) findet dort nicht mehr pro Baugenehmigung im Auftrag des Projektierers statt, sondern bereits zuvor durchs BSH in der raumordnerischen Planung für alle Beschleunigungsflächen auf einmal (Strategische Umweltprüfung, SUP). Der Bundesverband Windenergie Offshore, der im Wesentlichen die Betreiber versammelt, fordert die Beibehaltung des alten Systems, wenigstens als Kann-Bestimmung (wir berichteten). Dabei geht es vor allem um den Arten- und Gebietsschutz. Das BSH wählte für das beschleunigte Verfahren nach eigenem Bekunden Flächen aus, von denen „voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen zu erwarten sind“. Die EU-rechtliche Grundlage für die Beschleunigungsflächen ist die Erneuerbaren-Richtlinie RED III (2018/2001). Das nationale Umsetzungsgesetz hierzu steckt aber, was den Offshorewind-Ausbau angeht, noch im parlamentarischen Verfahren. Das Kabinett hatte es im März eingebracht. Die Festlegungen stehen daher auch unter parlamentarischem Vorbehalt. Zudem schafft der FEP-Entwurf − nächstes Neuland − erste Grundlagen, um zu einem vermaschten Offshore-Stromnetz mit den Nachbarländern zu gelangen. Zu diesem Zweck legt er die Baumaßnahmen für eine Vernetzung der Konverterplattformen, die bereits im Netzentwicklungsplan genehmigt sind, fest und weist grenzüberschreitende Kabeltrassen in die Nachbarländer aus. Potenzialflächen aus einer Schifffahrtsroute Für das gesetzliche Klimaneutralitätsjahr Deutschlands, 2045, zu dessen Erreichung dann 70.000 MW in den eigenen Meeren installiert sein sollen, hat das BSH weitere „Potenzialflächen“ festgelegt. Dafür wurde vor allem die Schifffahrtsroute SN10 verkleinert, die direkt zwischen der dänischen und holländischen See verläuft. Zum Sinn des Entwurfs erklärte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), die Offshore-Windenergie sei „auch langfristig eine Säule bei der Transformation des Energiesystems“. Der FEP schaffe „Planungs- und Investitionssicherheit“ und leiste einen Beitrag zum Aufbau nachhaltiger Lieferketten. Das BSH ist dem von Volker Wissing (FDP) geführten Verkehrsministerium zugeordnet.

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Der Fachkräftemangel ist derzeit eine der zentralen Herausforderungen für die Energiewirtschaft. Gleichzeitig steigen die Anforderungen der Kunden an ein hochwertiges Kundenerlebnis: Verfügbarkeit und Responsivität digitaler Services werden zum Differenzierungsfaktor in einem stark Commodity-geprägten Marktumfeld. Um sich für zukünftige Lastspitzen zu wappnen und gleichzeitig die Zukunftsfähigkeit der eigenen Prozesslandschaft auszubauen, gehört die Automatisierung von Prozessen zu den wichtigsten Aufgaben von Energieunternehmen.   RPA als Schlüssel für eine kostengünstige Automatisierung Hier setzt die Robotic Process Automation (RPA) an. Dabei handelt es sich um eine Form der robotergestützten Prozessautomatisierung, die es ermöglicht, hochvolumige und stark repetitive Aufgaben automatisiert auszuführen. Im Gegensatz zu Business Process Automation (BPA) oder anderen Formen der Automatisierung, die Prozesse neu aufsetzen, werden bei RPA Softwareprogramme oder Bots programmiert, die die menschliche Interaktion mit der Software imitieren. Dadurch können Prozesse sehr schnell und kostengünstig automatisiert abgebildet werden, ohne aktiv in die bestehende Systemlandschaft einzugreifen. Dabei wird zwischen „Attended“ und „Unattended“ Bots unterschieden: Attended ist der Prozess, wenn der Anwender den Bot direkt auf seinem Arbeitsplatz startet und die Verarbeitung für ihn sichtbar ist, im unattended Modus läuft der Bot im Hintergrund, ggf. auf einer eigenen virtuellen Workstation. Attended Bots werden vom Benutzer manuell gestartet, während unattended Bots zu festgelegten Zeiten starten oder durch Ereignisse wie API-Aufrufe ausgelöst werden.   Potenziale von RPA Durch diese Simulation einzelner Prozessschritte ermöglicht RPA die Automatisierung von Routineaufgaben und entlastet damit die Mitarbeiter, die sich dann komplexeren Tätigkeiten, wie z.B. dem persönlichen Kundenkontakt, widmen können. Gleichzeitig können die Durchlaufzeiten von Standardprozessen effektiv verkürzt und die Fehlerquote im Vergleich zur manuellen Bearbeitung reduziert werden, was letztlich zu Kosteneinsparungen führt. Die Kundinnen und Kunden profitieren wiederum von einer permanenten Verfügbarkeit der Services unabhängig von Geschäfts- und Servicezeiten sowie von kürzeren Bearbeitungszeiten ihrer Anfragen. Der größte Vorteil von RPA im Vergleich zu anderen Formen der Prozessautomatisierung liegt in der vereinfachten Implementierbarkeit der Lösungen. So erfordern die meisten kommerziellen Lösungen am Markt weder Programmierkenntnisse noch tiefgreifende Änderungen an der bestehenden Systemlandschaft. Die zu automatisierenden Prozesse können einfach aufgenommen und nach Bedarf konfiguriert werden. Dabei steht dem Anwender eine große Auswahl an vordefinierten Funktionen zur Verfügung, die per Drag & Drop miteinander verknüpft werden. Dies reduziert die Einführungszeit und -kosten erheblich. Demgegenüber stehen höhere Prozessdurchlaufzeiten als bei klassischen Automatisierungslösungen und eine Wartungsanfälligkeit bei sich ändernden Benutzeroberflächen. Anwendungsfelder für RPA in energiewirtschaftlichen Kernprozessen Aufgrund der beschriebenen Eigenschaften eignet sich RPA vor allem dort, wo manuelle, standardisierte Prozesse mit hoher Frequenz durchgeführt werden. Diese Potenziale wurden in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Energiemarktdienstleister (BEMD e.V.) im Hinblick auf die Kernprozesse in der Energiewirtschaft untersucht. Denn gerade in der Energiewirtschaft sind viele Abläufe strukturiert, regelbasiert und vor allem zeitintensiv. Hier können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von EVU, Messstellenbetreibern oder Verteilnetzbetreibern wirksam entlastet und für Tätigkeiten mit individuell höherer Komplexität eingesetzt werden. Im Folgenden werden drei ausgewählte Beispiele für energiewirtschaftliche Kernprozesse vorgestellt, die mit Hilfe von RAP automatisiert werden können: Use Case 1: Plausibilisierung von Zählerständen Nachdem Kunden oder Dienstleister die Zählerstände eingegeben haben, werden diese im Abrechnungssystem des Energieversorgers auf Plausibilität geprüft. Bei Unstimmigkeiten erfolgt eine manuelle Prüfung. Dieser Arbeitsschritt kann durch eine definierte Logik automatisiert werden. Ein Beispiel für einen solchen Klärungsfall ist der “Nullverbrauch”. Hier kann der Roboter automatisiert nachfragen, ob es sich um einen Leerstand handelt oder ob der Zählerstand vom EVU oder einem anderen Dienstleister erfasst wurde. Use Case 2: Lieferantenclearing Im klassischen Lieferantenclearing können teilautomatisierte Prozesse im Zusammenspiel zwischen RPA, Kunde und Sachbearbeiter die Durchlaufzeiten effektiv verkürzen. Dabei wird der Interessent nach Prüfung der Eingangsliste durch den Sachbearbeiter automatisiert kontaktiert. Nach Rücksendung der Daten durch den Kunden legt der Roboter die Vorgänge im System an und archiviert die Dokumente. RPA prüft die Wiedervorlage und der Sachbearbeiter gibt den Kunden über ein abschließendes Quality Gate frei.  Auf diese Weise sinkt die durchschnittliche Bearbeitungszeit von 12 auf 4 Minuten, was einer Aufwandsersparnis von 66 Prozent entspricht. Use Case 3: Tarifwechsel Die RPA-unterstützte Bearbeitung von Tarifänderungen zeigt, wie verschiedene Automatisierungstechnologien kombiniert werden können. So können die vom Kunden per Post zurückgesendeten Vertragsunterlagen mittels OCR-Technologie ausgelesen und dem Roboter in strukturierter Form zur vollautomatischen Verarbeitung zur Verfügung gestellt werden. Der Automatisierungsgrad liegt hier bei 85-90 Prozent bei einer Fehlerquote von null Prozent.   Schrittweise Implementierung Um die beschriebenen Effizienzpotenziale durch den Einsatz von RPA in den eigenen Prozessen zu heben, sollten Unternehmen bei der Implementierung einige wesentliche Erfolgsfaktoren berücksichtigen: Geeignete Prozesse auswählen Für den erfolgreichen Einsatz und die Akzeptanz von RPA ist die sorgfältige Auswahl der zu automatisierenden Prozesse von großer Bedeutung. Dabei sollten Unternehmen zum einen bestimmte technische Anforderungen wie Regelbasiertheit und Stabilität des Prozesses, Zugriffsmöglichkeiten auf die beteiligten Systeme oder standardisierte Lesbarkeit des Inputs berücksichtigen. Zum anderen sollten Prozesse ausgewählt werden, die ein hohes Amortisationspotenzial aufweisen. Zielparameter festlegen Klare Zielparameter sind elementar, um den Erfolg der RPA-Implementierung zuverlässig bewerten und gegebenenfalls gegensteuern zu können. Dazu sollten Unternehmen bereits zu Beginn der Implementierungsbemühungen entsprechende KPIs definieren, die bei der Bewertung des Implementierungsfortschritts berücksichtigt werden sollten. Dies reicht beispielsweise von implementierungsbezogenen Erfolgskennzahlen wie Implementierungszeiten oder Fehlerquoten bei automatisierten Prozessen bis hin zu ergebnisorientierten Kennzahlen wie Kapazitätseinsparungen, Durchlaufzeiten oder Mitarbeiterzufriedenheit. Stakeholder einbinden Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Einführung von RPA ist die rechtzeitige Einbindung der relevanten Stakeholder zum richtigen Zeitpunkt. In der Initialisierungsphase des Projekts spielen sowohl interne Projektsponsoren als auch Prozessexperten und Lead User, die die Prozesse kennen und bewerten können, eine wichtige Rolle. Später müssen interne oder externe Experten identifiziert werden, die die Umsetzung begleiten. Schließlich müssen in der Umsetzungsphase die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rahmen eines Change- und Enablement-Programms frühzeitig eingebunden werden, um möglichen Vorbehalten entgegenzuwirken und die Akzeptanz der Lösung in der Organisation zu erhöhen. Anbieter evaluieren Mittlerweile gibt es auf dem RPA-Markt eine Vielzahl unterschiedlicher kommerzieller Produkt- und Lösungsanbieter. Bei der Auswahl des richtigen Technologiepartners sollten Unternehmen neben dem Kosten- und Lizenzmodell vor allem auf Kriterien wie mögliche Lösungserweiterungen, z.B. in Richtung Process Mining oder KI-Anbindung, sowie die angebotenen SLAs achten. RPA-Pipeline aufbauen Um eine hohe Akzeptanz für die RPA-Implementierung zu gewährleisten und Investitionsrisiken zu vermeiden, empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen, bei dem zunächst wenige, ausgewählte Prozesse..

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Power Purchase Agreements – ein Geschäftsmodell auch für Stadtwerke?

PPA spielen für Stadtwerke derzeit noch eine eher untergeordnete Rolle, werden aber perspektivisch immer relevanter. Warum es für Stadtwerke lohnt, sich frühzeitig mit dem Thema zu beschäftigen. Mehrjährige Stromlieferverträge aus Erneuerbare-Energien-Anlagen, so genannte Power Purchase Agreements (PPA), haben in den letzten Jahren einen starken Boom erlebt – verbunden mit vielen Hoffnungen. Denn mit PPAs lassen sich Stromerzeugungskapazitäten langfristig binden und Preisniveaus absichern. Mit der Energiekrise traten und treten im Energiemarkt jedoch völlig neue Herausforderungen und Regularien in den Vordergrund, die für Unsicherheit sorgten, wie z.B. Schwierigkeiten bei der Preisfindung für längerfristige Strombezugsverträge oder eine drohende Gewinnabschöpfung für die Stromerzeugung im Rahmen der Strompreisbremse. Während das Gesamtvolumen der abgeschlossenen PPAs auch im vergangenen Jahr relativ stabil blieb, wurden überwiegend so genannte Corporate PPAs abgeschlossen. Dabei handelt es sich um direkte Lieferverträge zwischen großen Erzeugern erneuerbarer Energien und großen Abnehmern aus Industrie und Dienstleistungsbereichen, die den Strom in ihren Betriebsstätten selbst verbrauchen. So schließen z.B. Betreiber von Rechenzentren und Serverfarmen wie Google, Microsoft oder Amazon derzeit vermehrt PPAs ab, um ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Stadtwerke hingegen spielen in diesem Umfeld bisher keine oder nur eine untergeordnete Rolle, da die Nachfrage ihrer Kunden nach PPAs häufig (noch) relativ gering ist. Bei Gewerbe- und Mittelstandskunden lag der Fokus in der Vergangenheit und insbesondere in den letzten Monaten eher auf Kostenreduktion und Versorgungssicherheit. Aspekte wie die Sicherstellung von „grünen“ Lieferverpflichtungen oder die Erfüllung eigener Nachhaltigkeitsziele, die den Bezug von Ökostrom aus der Region fördern würden, entfalten noch nicht die erhoffte Wirksamkeit. Zumal die PPAs aufgrund ihrer „grünen“ Eigenschaften in der Regel entsprechend teurer sind. Auf Seiten der Privatverbraucher steigt zwar seit Jahren die Nachfrage nach Ökostrom, aus welchen (regionalen) Quellen dieser stammt, ist bei vielen von nachgelagerter Bedeutung oder kann aufgrund der vielschichtigen Definition des Begriffs Ökostrom dem Kunden nicht angemessen vermittelt werden. Größere Industrieunternehmen sind häufig keine Stadtwerke-Kunden mehr bzw. nicht mehr auf diese angewiesen, sondern haben in den letzten Jahren eigene Energiebeschaffungseinheiten aufgebaut und beziehen teilweise schon über Corporate PPAs Energie direkt vom Erzeuger. Im Gegensatz zu anderen Ländern wie beispielsweise den USA spielen PPAs auch für Kommunen in Deutschland bislang eine untergeordnete Rolle. Alternative Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten sowie fehlender Handlungsdruck und politscher Wille führen bislang zu einer geringen Relevanz von PPAs im kommunalen Umfeld. Auch auf der Erzeugerseite ist das Angebot an PPAs aus der Region derzeit häufig noch gering, da der Ausbau der erneuerbaren Energien in den letzten Jahren eher schleppend verlaufen ist und kaum neue PV- oder Windanlagen als potenzielle PPA-Quellen zur Verfügung stehen. Insbesondere beim Zubau der Windenergie, die aufgrund der hohen Leistungsgrößen besonders relevant für den PPA-Markt wären, befindet sich Deutschland in den letzten beiden Jahren auf einem geringen Zubau-Niveau von nur gut 2 GW. Dies entspricht etwa ein Drittel den Zubauzahlen von 2017[1]. Auch im Bereich der PV-Freiflächen – der zweiten zentralen Säule für PPAs – kam der Zubau in den letzten Jahren nur sehr schleppend voran.   Energiewende als Treiber Die Energiewende erfordert allerdings in den nächsten Jahren einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energiekapazitäten. Insbesondere für Erneuerbare-Energien-Anlagen, die keiner staatlichen Einspeisevergütung unterliegen bzw. diese nicht in Anspruch nehmen wollen (um somit z.B. gewisse Ausschreibungspflichten zu umgehen), könnten PPAs verstärkt zum Einsatz kommen, da sie eine mittel- bis langfristige Finanzierung und Absicherung der Investitionskosten von Erneuerbare-Energien-Projekten ermöglichen. Unterstützt durch sinkende Investitionskosten für Solar- und Windkraftanlagen auf der einen sowie (vermeintlich) weiter steigenden Strompreisen auf der anderen Seite werden PPAs auf der Erzeugungsseite jedoch zunehmend interessant. Denn so lässt sich ein hohes Energiepreisniveau mittels PPAs zur Absicherung von Investitionsrisiken für geplante Anlagen nutzen, um die eigene Kreditwürdigkeit ggf. Kapitalgebern zu stärken. Bei Bestandsanlagen können die hohen Preise so für die nächsten Jahre gesichert werden. Auch das Anfang 2023 in Kraft getretene Lieferkettengesetz wird perspektivisch für eine steigende Nachfrage nach PPAs sorgen, vor allem bei mittelständischen Industrie- und Gewerbekunden, da es Unternehmen verpflichtet nachzuweisen, dass auch ihre Vorlieferanten in der Lieferkette nachhaltig agieren. Der „ökologische (und soziale) Fußabdruck“ eines Produktes und die nachhaltige Praxis des Unternehmens werden so transparent. Mittelständische Industrie- und Gewerbeunternehmen werden daher bei der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategien verstärkt nach verlässlichen und möglichst regionalen Bezugsquellen für Ökostrom suchen. Wenn sie ihre Erneuerbare Energie über PPAs beziehen, erfüllen sie sogar höhere Nachhaltigkeitsstandards, da sie damit grüne Energieanlagen ohne staatliche Subventionen realisieren können. Auf der anderen Seite wird durch die Sensibilisierung der Gesellschaft für Nachhaltigkeitsaspekte, aber auch durch Regulierungen wie das Lieferkettengesetz, eine langfristige grüne Beschaffung mit kalkulierbaren Preisen von zentraler Bedeutung sein. Dies schafft insbesondere bei B2B-Kunden ein Marktpotenzial, an dem auch Stadtwerke partizipieren können. So können sich Stadtwerke als grüner Partner und Anbieter regional gebundener Energieerzeugungsleistung positionieren und die Regionalität grüner Energie entsprechend als ihren USP vermarkten. Um zukünftig höchsten Nachhaltigkeitsanforderungen gerecht zu werden und entsprechende Gütesiegel zu erhalten, wird die Energiebeschaffung über PPA nach unserer Einschätzung zu einem wichtigen Kriterium. Auch Kommunen werden als PPA-Kunden zunehmend interessanter, denn auch sie haben Klimaschutzziele zu erreichen. Hohe Strombedarfe der Kommunen können über PPA teilweise gedeckt werden. Dafür brauchen sie aber regionale Partner, die nicht nur über Know How und Expertise verfügen, sondern auch über den nötigen Zugang zu Erneuerbarer Energie. Mittels PPAs können Kommunen den Ausbau regionaler Erneuerbaren Energie-Anlagen vorantreiben, vorbei an einer (weniger) attraktiven staatlichen EEG-Einspeisevergütung oder komplexen Förderprogrammen. Insbesondere für Kommunen ohne eigenes Stadtwerk ist diese Option interessant, da sie Erneuerbare Energie-Projekte nicht an ihr Stadtwerk „delegieren“ können. Die Abwicklung erfolgt stattdessen über Bürger-Energie-Genossenschaften (ggf. mit kommunaler Beteiligung). Implikation und Fragestellungen für Stadtwerke Auch wenn PPAs für Stadtwerke derzeit noch eine untergeordnete Rolle spielen, werden sie perspektivisch an Bedeutung gewinnen. Es ist also wichtig, dass sich Stadtwerke frühzeitig mit der Thematik beschäftigen. Dabei stehen drei zentrale Fragenblöcke im Vordergrund: Wo liegen in meinem Versorgungsgebiet überhaupt PPA-Potenziale auf Erzeugerseite? Welches Portfolio kann ich aufbauen und rentabel bewirtschaften? Größere Erzeugungsanlagen (sowohl Post-EEG als auch neue Anlagen) sind stark im Fokus des Wettbewerbs. Das macht es schwierig für Stadtwerke, hier konkurrenzfähig zu agieren. Der Fokus sollte deshalb primär im kleineren und mittleren Segment liegen, d.h. im Bereich von 1-10 MW Erzeugungsleistung. Allerdings ist hier die Marge je Kunde..

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Vattenfall und Evonik haben einen bedeutenden Schritt in Richtung nachhaltiger Energieversorgung unternommen. Sie haben einen langfristigen Stromliefervertrag abgeschlossen, der ab 2025 jährlich rund 120 Gigawattstunden Solarstrom aus zwei Photovoltaik-Freiflächenanlagen in Schleswig-Holstein an Evonik liefern wird. Dieser Vertrag, der eine Laufzeit von zehn Jahren hat, markiert einen wichtigen Meilenstein in der Dekarbonisierung der Chemieproduktion und unterstreicht das Engagement beider Unternehmen für erneuerbare Energien​​. Die beiden Solarparks in Schleswig-Holstein, die diesen Strom liefern werden, bringen zusammen eine Leistung von 120 Megawatt. Besonders hervorzuheben ist, dass dieser Schritt Teil der Nachhaltigkeitsstrategie von Evonik ist, die vorsieht, die externe Stromversorgung bis 2030 vollständig auf erneuerbare Quellen umzustellen. Mit dieser Vereinbarung überschreitet Evonik die Marke von 50 Prozent des extern bezogenen Stroms aus erneuerbaren Quellen, was nicht nur ein Zeichen für den Umstieg auf grüne Energie ist, sondern das Unternehmen auch unabhängiger von fossilen Brennstoffen macht​​. Diese Initiative ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie Unternehmen durch innovative Partnerschaften und den Einsatz von erneuerbaren Energien zur Reduzierung ihrer CO2-Fußabdrücke beitragen können. Es zeigt, dass der Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft nicht nur notwendig, sondern auch machbar ist, wenn Unternehmen bereit sind, in erneuerbare Energiequellen zu investieren und langfristige Verpflichtungen einzugehen.

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Nach EU-Recht dürfen Verteilnetzbetreiber keine öffentliche Ladeinfrastruktur mehr betreiben. In Hamburg übernimmt daher jetzt eine neue Tochter. 1.600 öffentliche Ladepunkte in Hamburg bekommen einen neuen Betreiber: Mit der neu gegründeten Hamburger Energiewerke Mobil GmbH (HEnW Mobil) hat zum 1. Januar 2024 eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Hamburger Energiewerke (HenW) das Ladenetz in der Hansestadt übernommen. Bis zum Jahresende sollen weitere 200 Ladepunkte im Stadtgebiet entstehen. Anlass für den Betreiberwechsel sind die Bestimmungen des Paragraphen 7c im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Dieser legt fest, dass Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen weder Eigentümer von Ladepunkten für Elektromobile sein noch diese Ladepunkte entwickeln, verwalten oder betreiben dürfen. Die Vorschrift setzt eine entsprechende EU-Richtlinie um. Dabei galt für bestehende Ladepunkte eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2023. Geleitet wird HEnW Mobil von den beiden Geschäftsführern Florian Hartke (38) und Andreas Kramer (41). Florian Hartke bringt nach Angaben des Unternehmens mehr als ein Jahrzehnt Erfahrung in der Geschäftsfeldentwicklung sowie dem Innovations- und Produktmanagement mit. Seit 2020 ist er für Elektromobilität verantwortlich, zunächst bei Hamburg Energie und nach dem Unternehmenszusammenschluss bei den Hamburger Energiewerken. Andreas Kramer zeichnete seit 2010 bei Hamburg Energie und anschließend bei den Hamburger Energiewerken in leitenden Positionen unter anderem für Vertriebssteuerung und Produktmanagement verantwortlich. Den Bereich der Hamburger Elektromobilität gestaltet er bereits seit 2011 maßgeblich mit. Um den Wettbewerb bei den Angeboten von Ladestrom zu sichern, sollen die städtischen Ladepunkte gemäß Hamburger Modell auch weiterhin allen Ladestromanbietern diskriminierungsfrei zur Verfügung stehen, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Über ein in Planung befindliches städtisches Konzessionsverfahren sollen künftig auch weitere Anbieter Ladeinfrastruktur im öffentlichen Straßenraum Hamburgs bauen und betreiben können.

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Kraken, die Technologiesparte des Energie- und Technologiekonzerns Octopus Energy, übernimmt das Berliner Start-up Kwest. Mit der Integration der Workflow-Plattform von Kwest will der Technologiekonzern Kraken die betriebliche Effizienz von Wärmepumpen, intelligenten Zählern und Solaranlagen weiter steigern. Dazu wurden nun das Start-up Kwest mit Sitz in Berlin übernommen, teilte Kraken mit. Das Berliner Startup Kwest verfolgt die Geschäftsidee, Installationsbetrieben aus dem Erneuerbarensektor mit ihrer IT-Plattform zu helfen, Projekte schneller und effizienter umzusetzen. Die Software-Plattform ermöglicht es nach Auskunft des Start-ups Unternehmen, betriebliche Abläufe zu optimieren und zu automatisieren. Mit der Übernahme werde das siebenköpfige Team von Kwest dem globalen Team von Kraken beitreten. Außerdem wird Kraken sein erstes Entwicklungszentrum in Berlin eröffnen, teilte der Konzern dazu weiter mit. Kwest wurde von Robin Dechant, Marco Holst und Constantin Ehrensberger gegründet und wird von Investoren wie Speed Invest unterstützt. Seit 2020 ist Octopus mit Sitz in München als Vertriebsunternehmen in Deutschland am Start und ist in den Markt für erneuerbare Energien und ins Wärmepumpengeschäft eingestiegen. Im Herbst 2023 hat Octopus zudem die britischen und deutschen Kunden von Shell Energy übernommen. Dadurch kamen insgesamt rund zwei Millionen neue Kunden zu dem in London ansässigen Unternehmen hinzu. In Deutschland kam es mit der Übernahme auf knapp 300.000 Kunden, in Großbritannien waren es 6,5 Millionen. Das Shell-Portfolio für Endkunden umfasste Strom, Erdgas und Batteriespeicher. Octopus Energy wurde 2015 von der Investmentgesellschaft Octopus Group ins Leben gerufen. Das Unternehmen wirbt damit, mit einer sogenannten Krakentechnologie die Kunden besonders effizient zu versorgen. Octopus Energy beliefert nach eigenen Angaben 3 Millionen Haushalte und hat Vertriebsstandorte in 14 Ländern.

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Über das Joint Venture „TEAL Mobility“ wollen die Unternehmen Air Liquide und Total Energies ein Wasserstoff-Tankstellennetz in Europa aufbauen.  Air Liquide und Total Energies haben auf der bis zum 2. Februar in Paris stattfindenden Messe „Hyvolution 2024“ die Gründung des Joint Ventures „TEAL Mobility“ verkündet. Das Ziel des Unternehmens ist es, länderübergreifend über 100 Wasserstoff-Tankstellen für schwere Nutzfahrzeuge zu errichten. Als Zeithorizont geben die Partner zehn Jahre an. Die Standorte der Tankstellen sollen sich an „wichtigen europäischen Transitrouten“ befinden. Das neue Unternehmen ist zu gleichen Teilen im Besitz der beiden Gründungsmitglieder. Beide wollen sie ihre jeweiligen Kompetenzen in die Neugründung mit einbringen: das französische Gasunternehmen Air Liquide sein Know-how im Bereich der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette, der französische Energiekonzern Total Energies sein Wissen im Betrieb und Management von Tankstellennetzen sowie im Energievertrieb an gewerbliche Kunden. Die Partner betonen die Vorteile eines mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellen-Nutzfahrzeuges: Wasserstoff erlaube im Vergleich zu rein batterieelektrisch angetriebenen Fahrzeugen eine schnellere Betankung. In etwa 15 Minuten Betankungszeit könne eine Reichweite von etwa 800 Kilometern ermöglicht werden. Auch bei wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen die Zuladung nicht beeinträchtigt. In der Dekarbonisierung des Nutzfahrzeugsektors kommt generell Bewegung auf. Erst kürzlich gab der britische Mineralölkonzern BP seinen Einstieg bei H2 Accelerate bekannt (wir berichteten). Die Kooperation setzt sich für den europäischen Rollout von Brennstoffzellen-Lkw ein.

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Das Wasserstoff-Kernnetz soll rund 20 Milliarden Euro kosten und knapp 10.000 Kilometer lang sein. Für die Pläne des Bundeswirtschaftsministers gibt es viel Lob. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat zusammen mit dem Vorsitzenden der Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas (FNB Gas), Thomas Gößmann, die Pläne für ein künftiges deutsches Wasserstoff-Kernnetz vorgestellt. Das Leitungsnetz soll 9.700 Kilometer lang werden und 19,8 Milliarden Euro kosten. Gebaut werden soll es zum Großteil von den Fernleitungsnetzbetreibern, auch bestehende Erdgasleitung sollen in das künftige Wasserstoff-Kernnetz mit einbezogen werden. Wie Habeck auf einer Karte zeigte, ist das Netz so konzipiert, dass alle Regionen Deutschlands erfasst werden. Angeschlossen werden sollen zunächst Anlagen mit einer Wasserstoffleistung von 100 MW aufwärts. Abnehmer sind dabei Industrieunternehmen, aber auch Betreiber von Gaskraftwerken, weiterhin habe man auch Forschungsprojekte aus den sogenannten Reallaboren und mögliche Importpipelines an den Grenzübergängen mitberücksichtigt. Vor allem letzteres sei wichtig. Wie Habeck sagte, könne Deutschland rund 30 bis 50 Prozent seines Wasserstoffbedarfes selbst decken. Die weiteren Mengen müssten aus dem Ausland importiert werden. Das sei bei der Gestaltung des Netzes berücksichtigt werden. Das Wasserstoff-Kernnetz umfasse deshalb auch die großen deutschen Häfen für die Anlandung von Wasserstoff beziehungsweise Ammoniak wie auch aus Frankreich oder Österreich kommende Wasserstoffpipelines. Netz löst Henne-Ei-Problem Das Netz wird nach Angaben Habecks mit einer Ausspeisungskapazität von 270 TWh errichtet. Für das Jahr 2030 rechne man derzeit mit einem Bedarf in Deutschland hingegen von 95 bis 130 TWh. Das Netz ist also zwei bis drei Mal zu groß. Habeck: „Das bedeutet, wir planen für die Zukunft.“ Die Leitungen werden sukzessive im Zeitraum von 2025 bis 2032 in Betrieb genommen. Die Prüfung und Genehmigung des Kernnetzes soll der Bundesnetzagentur obliegen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck stellt Journalisten das Wasserstoff-Kernnetz vor Quelle: Screenshot E&M Wie Thomas Gößmann vom FNB Gas ergänzte, gehen mit dem Wasserstoff-Kernnetz der Bund und die Fernleitungsnetzbetreiber „in Vorleistung, um das Henne-Ei-Problem zu lösen“. Damit werde die Infrastruktur bereitgestellt, damit der Hochlauf der Wasserstoffindustrie erfolgen könne. „Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit, diese wird damit gewährleistet.“ Gößmann dankt der Bundesregierung ausdrücklich für den Einsatz in Sachen Wasserstoff-Kernnetz. Das zeige auch unter anderem das Tempo, mit dem die Regierung zu Werke gehe. „Von der ersten Vorstellung im Kabinett im Mai 2023 bis heute sind nur wenige Tage vergangen. Das beweist das Engagement“, so der FNB-Chef. Auch mit den Planungen zeigen sich die Netzbetreiber zufrieden. Das Netz mit seinen 9.700 Kilometern sei gut dimensioniert. Das meiste davon werde von den Fernleitungsnetzbetreibern gestemmt, aber auch die Verteilnetzbetreiber würden rund 700 Kilometern am Wasserstoffkernnetz zur Verfügung stellen. Gossmann geht davon aus, dass rund 60 Prozent des Wasserstoffkernnetzes aus umgewidmeten Erdgasleitung bestehen werde. Netznutzungsgebühren für alle gleich Um für alle gleiche Bedingungen zu schaffen, werden die Netznutzungsentgelte für alle Nutzer im gesamten Netz gleich hoch sein. Und sie sollen für die Nutzer zudem erschwinglich sein: Es werde ein Amortisationskonto eingerichtet, mit dem die günstigen Gebühren ermöglicht werden und für das der Staat bürgt. Das Konto soll bis zum Jahr 2055 betrieben werden, dann sollten alle aufgelaufenen Kosten abgetragen sein. Die Pläne der Politik und des FNB Gas treffen auf hohe Zustimmung. Der Energieverband DVGW schreibt: „Die Pläne der Bundesregierung zum Kernnetz loben wir ausdrücklich.“ BDEW-Chefin Kerstin Andrea lässt mitteilen: „Es ist gut, dass die Bundesregierung mutig und entschlossen vorangeht und den Bau eines Wasserstoff-Kernnetzes durch die Gasnetzbetreiber unterstützt und ermöglicht.“

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Der klassische Vertrieb eines Energieversorgers steht vor großen Herausforderungen. Bestehende, historisch gewachsene Energieversorgungsunternehmen müssen sich zunehmend auf neue Gegebenheiten, ein sich stetig veränderndes Marktumfeld und steigende Kundenerwartungen einstellen. Stand früher der Verkauf von Commodity-Produkten an langjährige Bestandskunden im Mittelpunkt des Vertriebs, sind es heute energienahe Dienstleistungen und ein breiteres Produktportfolio. Kooperationen mit Dritten und regionalen Partnern spielen dabei eine zentrale Rolle. Was in Fachkreisen schon länger diskutiert wird, hat durch die unerwartet eingetretene und immer noch andauernde Energiekrise an Brisanz gewonnen. Die klassischen Energievertriebsprodukte allein bieten auf Dauer keine gesicherte wirtschaftliche Basis mehr und zwingen die EVU zum Umdenken. Unübersichtliches Marktumfeld und zunehmende Unsicherheit im Vertrieb Die aktuelle Entwicklung der Energiepreise löst bei vielen Versorgern Besorgnis und Unsicherheit aus. Perspektivisch sind nur vage Prognosen möglich. Und mit den Preisen steigt auch der Beratungsbedarf der Kunden, sei es bei der Tarifberatung, bei Fragen zur Rechnung oder zu Zahlungs- und Ratenplänen. Doch nur wenige Versorger sind auf diesen Ansturm wirklich vorbereitet. Meist fehlt es nicht nur an leistungsfähigen digitalen Tools, sondern auch an flexibel einsetzbaren Personalkapazitäten und grundsätzlich an der notwendigen Zeit. Die geopolitischen Entwicklungen der letzten Monate stellen die gesamte energiewirtschaftliche Wertschöpfungskette vor bisher nicht gekannte Herausforderungen. So kämpfen nicht nur die Verbraucher mit steigenden Energiepreisen, sondern auch die Energiebeschaffungskosten auf der Anbieterseite explodieren. Wer sich nicht vorausschauend am Markt eingedeckt hat, sieht sich nun mit einer kostenintensiven Energiebeschaffung konfrontiert, um seiner Verpflichtung zur Versorgungssicherheit und Erfüllung der vertraglichen Kundenansprüche nachzukommen. So müssen diese Energiemengen derzeit meist mit hohen negativen Deckungsbeiträgen beschafft werden. Die Auswirkungen der Energiekrise zeigen sich auch deutlich bei der Betrachtung der Kundenzahlen in der Grundversorgung. Viele wechselwillige Kunden sind in der Vergangenheit zu Billiganbietern abgewandert, die jedoch durch die Energiekrise häufig in finanzielle Schieflage geraten sind. Nun sind viele Kunden wieder in die lokale Grundversorgung zurückgekehrt. Grundsätzlich sind die Wechselquoten auf der Verbraucherseite in den letzten Jahren durch den Markteintritt zahlreicher neuer Akteure und ein sich radikal veränderndes Kundenverhalten deutlich angestiegen. Diese Entwicklung erfordert zwingend ein Umdenken in den Vertriebseinheiten. Ein zeitgemäßer und zugleich kosteneffizienter Ansatz könnte die Nutzung von Social Media sein. Hier sind die Vorbehalte der Energieversorger zwar häufig noch groß. Doch allein aus demografischer Sicht wird sich diese logische Entwicklung nicht aufhalten lassen und Energieversorger werden sich dem Thema Social Media als Kundenkontaktkanal stellen müssen. Alle bisherigen Handlungsfelder und Herausforderungen der Branche werden durch das Pariser Klimaabkommen mit seinen neuen Regelungen, Gesetzen und Richtlinien noch verstärkt, die Komplexität nimmt zu. Aber auch die immer näher rückende Deadline hin zu einer klimaneutralen Welt zeigt die Dringlichkeit der Weiterentwicklung der Energieversorgungsbranche. Die beschriebenen Themen sind der Anstoß, dass sich Energieversorger, insbesondere deren Energievertrieb, weiterentwickeln müssen. Der klassische Energievertrieb kann mit den anstehenden Herausforderungen nur schwer umgehen Unterzieht man die heutigen Versorgungsunternehmen einer kritischen Analyse, so zeigt sich in vielen Bereichen und Themenfeldern dringender Handlungsbedarf. Während sich einzelne Versorger frühzeitig auf die aktuellen Herausforderungen eingestellt haben und entsprechend agieren, hinkt der Großteil der Energieversorger hinterher und hat die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung oft noch nicht erkannt. Der klassische Energievertrieb sieht sich mit wachsenden Herausforderungen konfrontiert: Steigender Wettbewerbsdruck, erschwerte Erzielung positiver Produktmargen sowie ein grundlegend verändertes Kundenverhalten. So sind die Kunden heute meist jünger, wollen bevorzugt digital angesprochen werden und wünschen sich eine schnelle und unkomplizierte Kundenberatung. Zudem vergleichen sie ständig die Verbraucherpreise, sind wechselwillig und fragen neben reinen Commodity-Produkten zunehmend Energiedienstleistungen nach, z.B. Beratung, Installation und Energiedatenmanagement für PV-Anlagen. Darauf müssen sich die Energieversorger umgehend einstellen, wenn sie nicht weitere Kundenverluste hinnehmen wollen. Das Ökosystem für den Vertrieb der Zukunft Vor diesem Hintergrund erfordert ein erfolgreicher Vertrieb eine klare Strategie sowie Offenheit für den Aufbau von Netzwerken. Darüber hinaus stellen die Flexibilisierung der Prozesse und das Aufbrechen starrer Wertschöpfungsstufen eine wichtige Entwicklungschance dar. Vertriebseinheiten sollten sich nicht nur intern weiterentwickeln, sondern auch die Chancen eines durchaus attraktiven Marktumfeldes nutzen, z.B. für Kooperationen. Strategisch und operativ ist eine Weiterentwicklung in unterschiedlichen Detaillierungsgraden und Richtungen denkbar und sinnvoll. Ansätze hierfür können sein: Etablierung eines zielgerichteten Marketings und Trackings Aufbau eines zukunftsgerichteten Shared Services Definition einer zeitgemäßen Zielkunden- und Vertriebskanalstrategie Entwicklung von (neuen) Energiedienstleistungen, z.B. mit einem Prototyping-Ansatz Interne Weiterentwicklung (Organisation, Prozesse, Systeme) Von Jan-Emanuel Brandt (Partner) & Alexander Resch (Senior Consultant) m3 management consulting GmbH

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Agri-PV: Bewegung im Paragrafendschungel

Bis 2030 sollen 80 % des Stroms erneuerbar sein. Damit das gelingen kann, braucht es auch Agri-PV. Den Rechtsrahmen liefert nun endlich das EEG 2023. Erläuterungen von Jens Vollprecht*. Das kürzlich vom Bundestag verabschiedete Osterpaket enthält die größte Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) seit dessen Bestehen. Die Änderungen waren so umfangreich, dass der Gesetzgeber dem EEG ab dem 1. Januar 2023 einen neuen Namen gegeben hat. Es heißt dann EEG 2023. Gleich am Anfang stehen die Hausaufgaben, die sich der Gesetzgeber selbst gegeben hat: Im Jahr 2030 sollen mindestens 80 % des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Übersetzt man das in konkrete Strommengen, so müssen 2030 rund 600 Mrd. kWh Strom aus erneuerbaren Energien bereitstehen. Als ob diese Zahl nicht schon beeindruckend genug ist, legt der Gesetzgeber noch eins drauf. Bis zum Jahr 2030 wird eine Steigerung der installierten Leistung von Solaranlagen auf 215 GW angestrebt. Einen beträchtlichen Teil davon werden die Freiflächenanlagen schultern müssen − und diese Flächen liegen zum größten Teil auf landwirtschaftlich bewirtschafteten Böden. Nutzungskonflikte sind damit vorprogrammiert. Aber muss es entweder Stromerzeugung oder Landwirtschaft heißen? Nein, zum Glück nicht: Agri-Photovoltaik (Agri-PV) wird so errichtet, dass auf derselben Fläche sowohl Strom erzeugt als auch Landwirtschaft betrieben werden können. Und nicht nur das. Agri-PV kann zudem zu einer Senkung des Wasserverbrauchs in der Landwirtschaft beitragen, stabile zusätzliche Einkommensquellen für Landwirtschaftsbetriebe generieren und damit die Resilienz vieler Höfe erhöhen und die Gefahr von Ernteausfällen so verringern. Was will man mehr? Einen passenden Rechtsrahmen! Warum? Wie so häufig bei innovativen Technologien ist der Rechtsrahmen darauf nicht „vorbereitet“. Das ist ja auch kein Wunder. Schließlich werden Gesetze auch nur von Menschen gemacht und eine Glaskugel hat nicht jeder auf dem Tisch. Dementsprechend war es bislang in vielen Fällen eine gewisse Herausforderung, den bestehenden Rechtsrahmen argumentativ so zu unterfüttern, dass er der Agri-PV auf die Beine hilft. Umso mehr ist es zu begrüßen, dass der Gesetzgeber mit dem EEG 2023 „nachgezogen“ hat. Neu in das EEG 2023 aufgenommen wurden nämlich nun unter anderem drei „eigene“ Fördertatbestände für bestimmte Agri-PV-Anlagen. Bei allen diesen Fördertatbeständen müssen im Wesentlichen folgende Voraussetzungen erfüllt werden: Die Flächen dürfen zum einen nicht als Moorboden einzustufen sein. Zum anderen dürfen sie nicht rechtsverbindlich als Naturschutzgebiet oder als Nationalpark festgesetzt worden sein. Die weiteren Anforderungen unterscheiden sich dann: Gefördert werden mit dem ersten Fördertatbestand Anlagen auf Ackerflächen mit gleichzeitigem Nutzpflanzenanbau auf derselben Fläche (Acker-Agri-PV). Für die Erfüllung der Voraussetzungen des zweiten Fördertatbestands müssen die Anlagen auf Flächen mit gleichzeitiger landwirtschaftlicher Nutzung in Form eines Anbaus von Dauerkulturen oder mehrjährigen Kulturen errichtet werden (Kulturen-Agri-PV). Erst in letzter Minute aufgenommen wurde der dritte Fördertatbestand: Dieser sieht die Förderung von Anlagen auf Grünland bei gleichzeitiger landwirtschaftlicher Nutzung als Dauergrünland vor, wenn die Fläche nicht als Nationalpark festgesetzt worden ist, nicht in einem Natura-2000-Gebiet liegt und kein Lebensraumtyp ist, der in Anhang I der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführt ist (Grünland-Agri-PV). Wenn diese Agri-PV-Anlagen horizontal aufgeständert werden, erhöht sich der anzulegende Wert sogar um einen Technologie-Bonus, der bei einem Zuschlag im Jahr 2023 1,2 Ct/kWh beträgt und stufenweise bis auf 0,5 Ct/kWh abschmilzt, wenn der Zuschlag in den Jahren 2026 bis 2028 erteilt wird. Wem die Beschreibung der Agri-PV-Anlagen zu holzschnittartig ist, liegt richtig: Die Bundesnetzagentur ist aufgerufen, die Feinheiten in einer Festlegung zu bestimmen. Mit einem potenziellen „Verwandten“ der Agri-PV kann das EEG 2023 auch aufwarten. Wird die Anlage auf Moorböden errichtet, die entwässert und landwirtschaftlich genutzt worden sind, und werden die Flächen mit der Errichtung der Anlage dauerhaft wiedervernässt, kann auch für diese Anlagen eine „eigene“ Förderung in Anspruch genommen werden. Aufgrund der höheren Kosten ist für diese Anlagen ein Moor-Bonus in Höhe von 0,5 Ct/kWh vorgesehen. Zu einem richtigen „Verwandten“ der Agri-PV werden diese Anlagen aber erst, wenn die Bundesnetzagentur in ihrer Festlegung die zusätzliche landwirtschaftliche Nutzung der Flächen (Paludikultur) regelt. Zufrieden? Nicht ganz. Ein Blick in die Glaskugel zeigt, dass es auch horizontal aufgeständerte Agri-PV-Anlagen geben wird, deren finanzielle Förderung sich nach dem EEG bestimmt. Diese erhalten den Technologie-Bonus nach dem EEG 2023 nicht. Entsprechendes gilt auch für den Moor-Bonus. Apropos Technologie- Bonus. Vermutlich ist dieser auch nicht hoch genug, um die Kosten für die Aufständerung zu refinanzieren. Schön wäre es, wenn diese Punkte noch nachgebessert würden. Dann würde es im Paragrafendschungel richtig rauschen! *Jens Vollprecht, Rechtsanwalt und Diplom-Forstwirt, Becker Büttner Held, Berlin Die Statistik zeigt die durchschnittliche EEG-Vergütung von Photovoltaikanlagen in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2020 sowie ein Prognose für die Jahr 2021 und 2022. Für das Jahr 2022 wurde eine durchschnittliche EEG-Festvergütung für eingespeisten Strom aus Photovoltaikanlagen in Höhe von rund 21,3 Cent pro Kilowattstunde Strom prognostiziert.

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Innovationsausgaben in der Energieversorgung steigen leicht

Ein Schaubild sagt mehr als tausend Worte: In einer aktuellen Infografik beleuchten wir regelmäßig Zahlen aus dem energiewirtschaftlichen Bereich.   Mehr Statistiken finden Sie bei Statista Die Statistik des ZEW bildet die Innovationsausgaben der Branche Energieversorgung in Deutschland in den Jahren von 2012 bis 2022 ab. Zu den Innovationsaufwendungen dieser Branche gehören Forschung und Entwicklung sowie innovationsbezogene Ausgaben für Sachanlagen und immaterielle Wirtschaftsgüter, Weiterbildung, Marketing, Konzeption, Konstruktion, Design sowie Produktions- und Vertriebsvorbereitung. Die Innovationsausgaben der Branche Energieversorgung im Jahr 2020 betrugen rund 2,65 Mrd. Euro. Laut Quelle wird die deutsche Innovationserhebung im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW, Mannheim) seit 1993 in Zusammenarbeit mit infas (Institut für angewandte Sozialwissenschaft) sowie dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) durchgeführt. Die Erhebung zielt auf alle Unternehmen in Deutschland mit mindestens 5 Beschäftigten und einem wirtschaftlichen Schwerpunkt in der angeführten Branchengruppen ab. Die Definitionen und Messkonzepte entsprechen den internationalen Standards von OECD und Eurostat. Die Innovationserhebung ist alle zwei Jahre Teil der von Eurostat koordinierten Europaweiten Innovationserhebung (Community Innovation Survey – CIS). Alle Werte sind hochgerechnet auf die Grundgesamtheit der Unternehmen ab 5 Beschäftigte in Deutschland. * An der Innovationserhebung 2021 haben sich knapp 18.600 Unternehmen beteiligt (= 47 % des Stichprobenumfangs), darunter 321 aus der Energieversorgung.

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Drei Bundesministerien haben am 6. Oktober Eckpunkte vorgelegt, die in Deutschland eine nachhaltige Biomasseerzeugung und -nutzung sicherstellen sollen.

Drei Bundesministerien haben am 6. Oktober Eckpunkte vorgelegt, die in Deutschland eine nachhaltige Biomasseerzeugung und -nutzung sicherstellen sollen. Die vorgelegte Biomassestrategie soll konsequent Klima-, Umwelt- und Biodiversitäts-Ziele umsetzen und eine nachhaltige Nutzung von Biomasse aus der Wald-, Land- und Abfallwirtschaft ermöglichen. Die Eckpunkte legten das Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium (BMWK), das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) und das Bundesumweltministerium (BMUV) gemeinsam vor. Das nachhaltig verfügbare Biomassepotenzial, der Erhalt natürlicher Ökosysteme und das Food-First-Prinzip (Vorrang der Ernährungssicherheit) bildeten dabei den Handlungsrahmen, so die Ministerien. Auf Basis der Eckpunkte soll nun die Biomassestrategie im Dialog mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft erarbeitet und im kommenden Jahr verabschiedet werden. Fragen der kurzfristigen Rolle der Bioenergie im Kontext der Energieversorgungssicherheit stünden nicht im Fokus der Strategie. Ökologische Grenzen einhalten Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erläuterte, dass Biomasse wie Holz, Energiepflanzen oder organische Abfälle eine sehr gefragte und auch heimische Ressource sei. „Auch wenn sie natürlichen Ursprungs ist und ein erneuerbarer Rohstoff ist: ihr Einsatz ist nicht per se klima- und umweltfreundlich“, schränkte Habeck ein. Biomasse sei auch nur begrenzt verfügbar, daher brauche Deutschland Regeln für einen nachhaltigen Umgang mit ihr. „Die dafür nötigen Leitplanken schaffen wir mit der Biomassestrategie“, sagte der Minister. Biomasse solle zukünftig nur noch in nachhaltig verfügbaren Mengen und gezielter für den Klimaschutz und die Transformation der Wirtschaft in Richtung Treibhausgasneutralität eingesetzt werden. „Damit schaffen wir langfristig verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen, auch in ländlichen Räumen – immer im Einklang mit dem Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen“, sagte Habeck. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) unterstrich: „In diesen Zeiten der weitreichenden Folgen des völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands auf die Ukraine für die weltweite Ernährungssicherheit und zunehmender Konkurrenz um knappe Rohstoffe ist eine verantwortungsvolle und vorausschauende Nutzung unserer natürlichen Ressourcen wichtiger denn je.“ Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) unterstrich die Notwendigkeit, ökologische Grenzen einzuhalten. „Um einen messbaren und nachhaltigen Beitrag zu Klima- und Biodiversitätsschutz zu leisten, muss genau abgewogen werden, wofür die knapp bemessene Ressource Biomasse verwendet werden soll“, sagte sie. Hochwertige Stoffe müssten als Kaskade nachhaltig genutzt werden, im Fall von Holz für die Herstellung von Baustoffen oder Möbeln und erst am Ende der Nutzung energetisch. „Die heute vom @Bundeskanzler verkündete Erhöhung der Biodiversitätsfinanzierung gibt mir als deutsche Verhandlungsführerin bei der #Weltnaturkonferenz Rückenwind für eine ambitionierte globale Vereinbarung gegen die Naturzerstörung.“ – @SteffiLemke https://t.co/3V2IJR8zTQ pic.twitter.com/4eQDD5rrsF — Bundesumweltministerium (@BMUV) September 21, 2022 Biogasbranche möchte wachsen Die deutsche Biogasbranche beklagte gleichzeitig das nur langsame Wachstum. So geht der Fachverband Biogas für 2022 von einem Anstieg um nur 109 auf bundesweit 9879 Anlagen aus. Das sei angesichts der Krise der fossilen Brennstoffe und ihrer hohen Preise zu wenig. Auch die Stromerzeugung aus Biogas werde nur minimal auf 33,6 Mrd. kWh zulegen, von33,5 Mrd. kWh im Vorjahr. Dafür werde Wärme aus Biogas besser genutzt, teilte der Verband mit. Hier werden in diesem Jahr 2 Mrd. kWh mehr als im Vorjahr erwartet, insgesamt 17,4 Mrd. kWh. Verbandspräsident Horst Seide sagte: „Die aktuellen Zahlen zeigen die massive Verunsicherung in der Branche, da die komplett aus dem Ruder laufenden rechtlichen Vorgaben und die politischen Unsicherheiten die Investitionsbereitschaft deutlich dämpfen.“ Um die Potenziale von Biogas dauerhaft zu heben, brauche es „ein klares Bekenntnis der Politik und verlässliche Perspektiven, die über das Jahr 2024 hinaus gehen“, forderte Seide. Wenn Rest- und Abfallstoffe komplett genutzt würden, könne man die aktuelle Erzeugung verdoppeln, ohne zusätzliche Anbauflächen zu benötigen, sagte er. Wichtigster Ausgangsstoff für Biogas in Deutschland ist aktuell Maissilage. Aktuell nehme allerdings insbesondere die Zahl von gülleverarbeitenden Anlagen zu. Zustimmung und Kritik von Umweltschützern Johann Rathke, Koordinator für Agrar- und Landnutzungspolitik beim WWF Deutschland begrüßte die Vorlage der Eckpunkte. Sie kämen jedoch viel zu spät für diesen Winter und die aktuellen Fragen um den Umgang mit Holz und anderer Biomasse als Energieträger. „Die Eckpunkte der Strategie gehen in die richtige Richtung, insbesondere bei der Nutzungshierarchie: Ernährung und die stoffliche Nutzung müssen vor der energetischen Nutzung stehen“, sagte Rathke. Nicht hinreichend beachtet bliebe, dass Biomasse ein elementarer Bestandteil unserer Ökosysteme ist, kritisierte er zugleich. So sei der ökologische Wert des Waldes für den Arten-, Ressourcen- und Klimaschutz nicht ausreichend berücksichtigt. „Die Holznutzung muss an die Leistungsfähigkeit des Waldes angepasst werden”, forderte der Umweltschützer. Die Eckpunkte zur Biomassestrategie    stehen im Internet bereit.

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"Explodierende" Energiekosten für Haushalte

Deutsche Haushalte mussten im März für Strom, Heizen und Mobilität so viel wie noch nie entrichten. Das Vergleichsportal Check 24 spricht von explodierenden Kosten.  Durchschnittlich 7.292 Euro wandte ein deutscher Musterhaushalt für seine jährlichen Energiekosten im vergangenen Monat auf. Dies sind laut Check 24 ganze 80 % mehr als noch im März 2021, als die Verbraucherinnen und Verbraucher in ihren eigenen vier Wänden auf Jahressicht noch 4.043 Euro Energiekosten zu berappen hatten. Einen “Musterhaushalt” definiert das Portal als einen Vier-Personen-Haushalt mit einem jährlichen Wärmeverbrauch von 20.000 kWh und einem jährlichen Stromverbrauch von 5.000 kWh. Zudem beziehen sich die herangezogenen Preise des Portals auf die Grundversorgungstarife der Anbieter. Heizkosten: plus 163 % Zu den Kosten im Einzelnen: Um 163 % sind laut Check 24 im Vergleich zum Vorjahresmonat die Heizkosten gestiegen. So musste ein Musterhaushalt im März 2021 auf das Jahr gesehen durchschnittlich 1.258 Euro für Gas und Heizöl aufwenden. Aktuell seien die Kosten auf 3.306 Euro angewachsen. Als Grund führt Check 24 den hohen Börsenpreis für Gas an. Eine Megawattstunde Gas kostete im Großhandel am 1. April um die 121 Euro. Vor einem Jahr lag der durchschnittliche Tagespreis bei 19,25 Euro/MWh, wie ein Sprecher von Check 24 gegenüber der Redaktion präzisierte. Das Portal geht dabei vom European Gas Spot Index und dem deutschen Handelsplatz THE aus. Bei Rohöl der Sorte Brent gibt Check 24 eine Preissteigerung von 72 % an. Stromkosten: plus 39 % Um 39 % über dem Vorjahresmonat liegen die hochgerechneten Kosten für Strom: Im Schnitt zahlte ein Haushalt aufs Jahr gesehen im März 2.098 Euro für seinen Strom, Im Vorjahresmonat waren es noch 1.509 Euro. Auch hier führt das Portal den Börsenpreis an: Während im März des aktuellen Jahres eine Megawattstunde Strom auf Handelsebene im Schnitt 244,62 Euro kostete, lag sie im Vorjahresmonat noch bei 45,69 Euro. Als Ursache für diesen 435-prozentigen Anstieg nennt das Portal den Russland-Ukraine-Krieg, die steigenden Preise für Erdgas, Steinkohle sowie CO-Emissionszertifikate und die anwachsende Stromnachfrage. Mobilitätskosten: plus 47,8 % Auch die gestiegenen Mobilitätskosten gehen zulasten der Haushalte. So mussten die Verbraucherinnen und Verbraucher laut Check 24 auf das Jahr gesehen im März für Benzin, Diesel und Ladestrom durchschnittlich 1.887 Euro aufwenden. Im Vorjahresmonat waren es noch 1.276 Euro. Dies begründet Check 24 mit dem starken Preisanstieg für Benzin (+ 42 %) und Diesel (+ 63 %).

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Rheinenergie "missbraucht marktbeherrschende Stellung

Rheinenergie hat mit den Split-Tarifen in der Grundversorgung laut Landgericht Köln gegen Kartellrecht verstoßen. Das schriftliche Urteil ist überraschend ausführlich. Drei Verfahren, zwei unterschiedliche Entscheidungen, eine 47 Seiten lange Urteilsbegründung: Die Split-Tarife von Rheinenergie in der Grundversorgung haben vor Kölner Gerichten eine vielschichtige Prüfung durchlaufen. Nachdem die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sowohl vor dem Landgericht als auch vor dem Oberlandesgericht mit ihrem Antrag auf eine einstweilige Verfügung gescheitert war, kam der Energieanbieter Lichtblick im März mit seinem Verfügungsantrag am Landgericht bei einer anderen Kammer durch. Auch wenn das Urteil (Az.: 90 O 12/22) noch nicht rechtskräftig ist: Die Entscheidungsgründe, die jetzt schriftlich vorliegen, rücken die Praxis vieler Grundversorger in ein anderes Licht. Dass die Richter der zehnten Kammer im Streit über dieselben Split-Tarife anders entschieden haben als ihre Kollegen, liegt am juristischen Ansatz von Lichtblick: “Die Verfügungsklägerin hat den Marktmissbrauch in den Mittelpunkt der Prüfung gestellt”, erklärt eine Gerichtssprecherin. Anders als im Fall der Verbraucherzentrale, die mit den Paragrafen 36 und 38 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ansetzte, führte Lichtblick das Kartellrecht ins Feld. “Nicht glaubhaft gemacht” Das Landgericht zog die Paragrafen 33 und 19 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) heran. Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liegt demnach vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkte von gleichartigen Abnehmern fordert – es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist. Rheinenergie habe als monopolistische Anbieterin auf dem vergleichbaren Markt der Grundversorgung von gleichartigen Abnehmern je nach Beginn der Stromlieferung günstigere oder ungünstigere Entgelte gefordert und “nicht glaubhaft gemacht, dass die unterschiedlichen Tarife – auch die aktuell verbliebenen – sachlich gerechtfertigt sind”, heißt es in dem Urteil. Die Verfügungsbeklagte “missbraucht ihre marktbeherrschende Stellung.” Strittig waren drei Tariferhöhungen. Auch anschließende Preisnachlässe betrachtete das Gericht. Das Urteil schließt alle Split-Tarife ein. Grundsätzlich stehe es Energieversorgungsunternehmen frei, auch verschiedene verbrauchsabhängige Tarife anzubieten, aber es dürfe sich eben nicht um eine Diskriminierung handeln. Als Diskriminierung sah das Gericht auch, dass Rheinenergie bei den Neukundentarifen nicht unterschieden habe zwischen Kunden, die etwa infolge ein Lieferstopps in die Grundversorgung rutschten und solchen, die beispielsweise umgezogen waren. Hinweis auf Beschaffungspreise reicht nicht Rheinenergie argumentierte mit den Beschaffungspreisen. Standpunkt des Gerichts: “Der allgemeine Hinweis auf den erheblichen Anstieg von Großhandelspreisen für Strom im Dezember und die Situation, dass die Verfügungsbeklagte durch Insolvenzen, Kündigungen und Lieferstopps seitens alternativer Stromanbieter Kunden in die Ersatzversorgung habe übernehmen müssen, genügt nicht annähernd den Anforderungen”, schreiben die Richter. Rheinenergie hätte offenbar die Hosen herunterlassen müssen: Das Unternehmen habe weder dargetan, wie sich konkret seine Beschaffungssituation im streitgegenständlichen Zeitraum gestaltete, noch habe es Vorstellung davon gegeben, in welchem Umfang sie wann den angeblich sprunghaften Zuwachs an Kunden zu verzeichnen hatte, heißt es. Ins Kalkül zogen die Richter auch etwaige Profite infolge der Preisexplosion. Der Verkauf aus Eigenerzeugung nimmt “mit 4.718 GWh mehr als 25 % des Gesamtstromverkaufs ein”, hielten sie fest. “Ob und inwieweit die Verfügungsbeklagte durch die gestiegenen Strompreise hierbei zusätzliche Einkünfte generieren konnte”, wäre darzustellen gewesen. Gericht sieht Wettbewerbsverzerrung Die Split-Tarife untergraben nach Auffassung des Landgerichts auch den Markt. Die Verfügungsklägerin konkurriere mit der Beklagten in deren Grundversorgungsgebieten als Anbieterin von Sonderverträgen der Stromversorgung. Laut Urteil wirkt es sich nachteilig für Wettbewerber aus, dass “Bestandskunden der Verfügungsbeklagten davon abgehalten werden, in ein Vertragsverhältnis zu einem anderen Energieversorger zu wechseln, selbst wenn dieser günstigere oder dem Kunden aus ökologischen oder anderen Gründen attraktivere Konditionen bietet”. Die Grundversorgungstarife, die Rheinenergie angeboten und abgerechnet habe, “führen zu einer faktischen Marktabschottung”. Unternehmen wie Rheinenergie versuchten mit ihrer illegalen Preispolitik die Abwanderung von Bestandskunden zum Wettbewerb zu verhindern, kritisiert Lichtblick. “Die jüngsten Urteile zeigten, dass die Preisspaltung ein Lehrbuchfall für Kartellrechtswidrigkeit ist”, sagt er Chefjurist des Unternehmens, Markus Adam. Rheinenergie teilt mit, dass derzeit geprüft wird, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.

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